Des Rätsels Lösung
Akwaaba, liebe Rätselfreund*innen!
Ganz recht, es war der erste Satz aus: Taiye Selasi: Diese Dinge geschehen nicht einfach so. Aus dem Englischen von Adelheid Zöfel. Frankfurt am Main 2013.
Dieser kluge und vielschichtige Roman erzählt die Geschichte von Kweku und Fola Sai und ihren vier Kindern. Schon zu Beginn wird klar, dass die entbehrungsreiche Erfolgsgeschichte der gebildeten, ehrgeizigen und zielstrebigen Eltern, die aus Ghana in die USA migrieren und dort unter den Bedingungen von Verzicht, harter Disziplin und eiserner Leistungsbereitschaft den gesellschaftlichen Aufstieg schaffen, einen dramatischen Wendepunkt nehmen wird, der alle Familienmitglieder gewissermaßen auf den Nullpunkt setzt und die gesellschaftlich tief verankerten Strukturen von systematischem Klassismus und Rassismus freilegt. Kweku Sai, der Vater der Familie, ist bald ein angesehener Arzt in Boston, die mittlerweile sechsköpfige Familie bewohnt ein gediegenes Haus in guter Wohnlage, die Kinder erhalten eine solide Schulbildung an ausgezeichneten Schulen und bekommen den Ehrgeiz und die Zielstrebigkeit, aber auch die Wärme und den Gerechtigkeitssinn ihrer Eltern mit auf den Weg. Dem gegenüber stehen die eigenen hohen Ansprüche Kweku Sais an sich selbst nebst seinen Versagensängsten, bis es eines Tages durch eine Intrige zur Katastrophe oder besser gesagt zur persönlichen Tragödie kommt, befeuert durch genau jenes toxische Gemisch von subtiler rassistischer und klassistischer Ablehnung.
Rückblickend wird die Geschichte der Familie entblättert, die zeitlich und topographisch zurück reicht bis in die unruhigen und blutigen nigerianischen Vorkriegsjahre und den Beginn des nigerianischen Bürgerkriegs in den 1960er Jahren. Auch die Arbeitsmigration der Ghanaer*innen zu Zeiten des nigerianischen Ölbooms nach dem Krieg, in den 1970er Jahren, wird gestreift, die dann mit der brachialen Vertreibung jener ghanaischen Migrant*innen unter dem Slogan „Ghana must go“ ein ebenso brutales Ende fand, wie zuvor die Flucht bzw. Verteibung der nigerianischen Bürgerkriegsgeflüchteten aus Ghana, den panafrikanischen Ideen eines Kwame Nkrumah zum Trotz.
Bereits in ihrem EssayBye-Bye, Babar von 2005 prägte Taiye Selasi den Begriff „Afropolitan“ für Weltbürger*innen mit afrikansichen Wurzeln, also Afropolitans, die als intellektuelle Avantgarde ein neues Bild afrikanischer Migration prägen, jenseits überkommener, rassistisch konnotierter Stereotype. So ist Taiye Selasi nicht nur eine kosmopolitsche Beobachterin der Welt, sondern explizit eine Vertreterin des von ihr mitgeprägten Labels der afropolitan Literature.
Dies ist also eine dringende Leseempfehlung für diesen grandiosen Roman, der allerdings unter der ungenauen deutschen Übersetzung gelitten hat. Der prägnante Original-Titel des Romans lautet Ghana must go, in Anlehnung an oben erwähnte Hate-Speech gegen ghanaische Arbeitsmigrant*innen in Nigeria in den 1970er Jahren. Noch heute ist die Ghana must go bag in Westafrika ein fester Begriff für eine bestimmte Art von großen Plastiktaschen, in welche Reisende aber auch Geflüchtete damals wie heute ihr Hab und Gut stopfen.
Falls möglich sollte dieser Roman im englischen Original gelesen werden! Falls das Schulenglisch nicht ausreicht, muss halt doch auf die deutsche Übersetzung zurückgegriffen werden. Gelesen werden sollte so oder so ganz UNBEDINGT!
Bis Freitag grüßt herzlich das Literaturhaus-Team!