Osterschreiben 2020 für 9- bis 14-jährige
Osterschreiben-Gewinner*innen
Juryentscheidung
Allen Osterschreiberinnen und Osterschreibern von Moers bis Schmallenberg einen herzlichen Dank für die wundervollen Geschichten, über die wir uns sehr gefreut haben. Der Einfallsreichtum, die Erfindungsgabe waren so groß, dass es der Jury nicht leicht gefallen ist, Preisträger*innen zu benennen. Deshalb bekommen alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer in jedem Fall eine Ehrengabe für das Mitmachen.
Eine Auswahl der Geschichten stehen hier zum Nachlesen im Netz. Zuerst die ersten drei und dann folgen weitere Geschichten.
Die Gewinnerinnen
Herzlichen Glückwunsch!
Der 1. Preis
geht an Antonia Pieper
für ihre Geschichte "Haus der Musik"
Ein Mädchen, das eine berühmte Sängerin werden will, muss feststellen, dass ihre Kräfte und ihre Fähigkeiten nicht ausreichen, ihren Herzenswunsch zu verwirklichen. Das Mädchen gibt auf. Doch ihre Liebe zur Musik ist so groß, dass sie schließlich andere Möglichkeiten findet, im musikalischen Bereich tätig zu sein. In der Geschichte wird ein schmerzhafter Reifeprozess beschrieben, der die Jury überzeugt hat.
Der 2. Preis
geht an Luisa van Es
für ihre Geschichte "Das Mondmädchen"
Die Erzählerin dieser Geschichte muss häufig die Schule wechseln, weil die Eltern beruflich ihren Standort ändern. In ihrer neuen Klasse wird ein Mädchen gemobbt, mit dem sie sich anfreundet. Die familiären Hintergründe des gemobbten Mädchens bleiben mysteriös, schließlich begeht das Mobbingopfer Selbstmord. Die Tote erscheint der Erzählerin noch einmal, um sich für ihre Freundschaft zu bedanken. Hier vermischen sich Elemente des Unheimlichen und Phantastischen auf gelungene Weise mit einem realistischen Umfeld.
Der 3. Preis
geht an Rosalie Rotter
für ihre Geschichte "Der perfekte Sommer"
Dies ist eine leichte, fröhliche Sommergeschichte mit einem gefährlichen Abenteuer und einer überraschenden Wendung.
Liebes Tagebuch!
Du kennst mich gut! Ich erzähle dir von meinen Erlebnissen und Gefühlen, dabei kann ich mich dir ganz anvertrauen. Aber selbst du weißt nichts von meinem größten Fehler, den ich vor vielen Jahren begangen habe. Ich habe mit fast niemanden darüber geredet, obwohl mich alle gefragt haben, wieso ich so gehandelt habe. Du fragst dich worum es geht? Ich werde es dir erzählen. Denn du begleitest mich schon sehr lange auf meinen Wegen, die mal richtig und mal falsch waren. Doch jetzt stehe ich hier am Anfang von einem neuen Lebensabschnitt, vor dem Haus der Musik! Dort wo ich für eine Zeit lang gelebt und gelacht habe. Dort, was für mich wie ein zweites Zuhause war. Dort wo ich es noch geliebt habe zu singen, zu tanzen, Songs zu komponieren und Gitarre zu spielen. Aber es war auch der Ort, wo ich aufgehört habe zu träumen...
Ich bin glücklich! Die Sonne strahlt, es ist der erste Tag der Sommerferien, alles scheint perfekt und da bin ich. Ich stehe auf einem prächtigen, etwas abseits liegendem Anwesen vor einer großen, weißen Villa. Es ist ein sehr friedlicher und ruhiger Ort, so wunderschön. Er liegt direkt am Meer. Ich bin gerade erst hier angekommen und liebe es hier zu sein. Denn dies ist das Anwesen meiner Oma, ihr Haus der Musik. Hier kommen junge Musiker hin, die sich entfalten und sich weiterentwickeln wollen. Oma hilft ihnen ihre Träume als Sänger, Tänzer, Choreograf, Komponist oder auch als Schauspieler zu verwirklichen. Sie wohnt ganz alleine hier, da ihr Mann, mein Opa vor einigen Jahren verstorben ist. Doch fast täglich kommen die Nachwuchstalente hierher. Oma ist sehr begabt, kennt sich im Musikbereich hervorragend aus und hat früher Musik studiert. Sie ist warmherzig, liebevoll und verständnisvoll. Sie hat in ihrem Leben viel erreicht und deshalb bin ich sehr stolz auf sie. Ich habe Oma sehr lieb. Ich bin oft wie möglich in meiner Freizeit und in den Ferien hier, denn ich habe auch den Traum Sängerin zu werden. Ich sehe Oma. Sie kommt aus dem Haus und läuft auf mich zu. „Hallo Liebes, schön, dass du da bist,“ spricht sie und umarmt mich. Ich sage: „Ich habe mich sehr über deine Einladung, meine Ferien hier zu verbringen, gefreut. Vielen Dank.“ „Ich weiß doch wieviel dir die Musik bedeutet,“, sagt sie sanft, macht eine kurze Pause und spricht weiter „Komm, lass uns reingehen. Ich habe eine Erdbeer-Schokoladentorte gebacken, die du doch so gerne magst.“
Die Villa ist in zwei Bereichen aufgeteilt. Einmal der Wohnbereich von Oma, wo ich in den nächsten sechs Wochen auch wohnen werde. Mein Zimmer ist gemütlich eingerichtet und hat einen Balkon mit einem tollen Ausblick auf das Meer. Und dann gibt es noch den Musikbereich. Es gibt hier einen Tanzraum mit Umkleide, einen Instrumentenraum, ein Gesangszimmer und vieles mehr. Ich treffe ein paar Musiker in den verschiedenen Räumen an. „Hier werden Stars geboren,“ hat mir Oma einmal erzählt. Ich gehe in den Instrumentenraum und nehme mir eine Gitarre. Ich fange an zu spielen, um an meinen neuen Song weiterzuarbeiten, den ich in der Zeit hier fertigstellen möchte. Es fühlt sich jedes Mal aufs Neue so befreiend und schön an, wenn ich Gitarre spiele. Doch ich bin sehr selbstkritisch vor allem beim Komponieren, zu sehr um genau zu sein. Deswegen vergeht viel Zeit bis ich einen neuen Song erarbeitet habe.
„Endlich, ich bin fertig!“ Eine Woche ist hier im Haus der Musik vergangen und ich habe meinen Song beendet. Ich bin überglücklich. Jeder der schon mal einen Song komponiert hat, weiß wie es sich anfühlt. Als ob man fliegen würde und aus einem bunten Feuerwerk heraussprießt. Okay, das trifft es nicht ganz. Meine Oma hat mich anscheinend gehört und kommt zu mir in den Gesangsraum. „Das ist ja schön. Möchtest du mir ihn vorspielen?“ fragt Oma. Ich antworte: „Ja, gerne“ Nachdem ich fertig bin, klatscht Oma und spricht: „Glückwunsch, es ist ein toller Song. Mir gefällt er sehr.“ „Vielen Dank, ich schätze deine Meinung sehr,“ sage ich. Wir schweigen kurz, dann fragt Oma mich: „Wie du weißt, gibt es jedes Jahr eine Show von den jungen Künstlern hier. Du bist zwar nicht offiziell Einer von ihnen, aber vielleicht möchtest du trotzdem auftreten. Die Show ist in drei Wochen. Wenn du fleißig übst, kannst du deinen Song in der Show vortragen. Das ist doch das, was du schon immer machen wolltest.“ „Danke Oma! Diese Chance darf ich mir nicht entgehen lassen. Ich bin dabei. Verlass dich auf mich, ich werde dich nicht enttäuschen,“ sage ich, noch aufgeregter als zuvor. „Das tust du nie, mein Liebes!“ Dann geht Oma wieder. Ich kann es einfach nicht glauben. Ich werde zum ersten Mal auf einer Bühne vor Publikum singen. Natürlich macht mich der Gedanke sehr nervös, aber gerade überwiegt eindeutig das Gefühl meiner Freude.
Der Abend vor der Show...
Ich bin am Strand, der nur einen kurzen Pfad von der Villa entfernt ist. Ich bin alleine, das ist auch gut so. Ich gehe durch das flache Meereswasser und schaue zur untergehenden Sonne. Ich bin oft und gerne hier. Das Meer, der Strand, die Sonnenuntergänge, einfach himmlisch. Ich höre dem Rauschen der Wellen zu, doch ich bin mit meinen Gedanken ganz woanders. Ich denke über die vergangenen Wochen nach. Sie bestanden fast ausschließlich aus der Musik. Oft habe ich mit den anderen jungen Musikern zusammen musiziert. Die Energie, die Leidenschaft, die Liebe zur Musik, es ist das, was mich glücklich macht. Sie wächst immer weiter, wird immer größer. Ich merke jetzt erst richtig, wie sehr ich meinen Traum leben will. Ich will auf Bühnen stehen, singen, Gitarre spielen und die Menschen, meine Fans, mit meiner Musik berühren und glücklich machen. Ich weiß, dass es das Richtige für mich ist. Doch wie soll das funktionieren? Ich bin nicht sehr talentiert, zumindest nicht so gut, dass es reicht, um berühmt zu werden. Oma sagt immer: „Gib nie auf. Lebe deine Träume. Lass deine Träume wahr werden. Kämpf für deinen Traum!“ Das will ich auch, doch jetzt wo ich der Musik so nah bin, fühlt sich der Wunsch eine Sängerin zu werden noch weiter entfernt an als je zuvor.
Jetzt stehe ich hier hinter der Bühne und hänge meine Gitarre um mich. Mein Auftritt steht direkt bevor. Ich bin sehr nervös. Es stehen so viele Menschen vor dieser Bühne, die im Garten der Villa aufgebaut worden ist. Meine Oma kommt zu mir, um mich zu beruhigen. Sie nimmt meine Hände und flüstert: „Alles wird gut, du kannst das, dass weiß ich. Ich glaube an dich.“ „Ich bin so aufgeregt. Ich habe Angst zu versagen. Was ist, wenn es dem Publikum nicht gefällt?“ sage ich leise. „Es ist ganz normal, dass du nervös bist. Du schaffst das.“ spricht Oma, „So meine Liebe, und jetzt gehört die Bühne dir.“ Mein Herzschlag verdoppelt sich. Mein Pulsschlag ist am Limit. Zitternd trete ich auf die Bühne, vor mir das Publikum, das erwartungsvoll zu mir hinaufschaut. Ich weiß, dass dies ein Moment ist, den ich genießen muss. Ich kann den Text, das Lied habe ich unzählige Male auf meiner Gitarre gespielt, den Auftritt habe ich oft geprobt und meine Stimme ist aufgewärmt. Also los! Die Scheinwerfer erleuchten. Ich schaue zum Publikum, das mich aufmunternd und erwartungsvoll anschaut. Doch in meinem Kopf herrscht pures Chaos. Ich muss mich konzentrieren. Doch ich kann nicht. Ich schaue nach oben zu den Sternen, die am Himmel erstrahlen und atme tief durch. Doch ich bin in meinen Zweifel und meiner Angst gefangen. Ich sehe eine Sternschnuppe. Doch es würden alle Sternschnuppen der Welt nicht ausreichen, um meinen ersehnlichsten Traum wahr werden zu lassen. Ich stehe zwar jetzt auf einer Bühne, doch der Weg zur erfolgreichen Sängerin ist schwer. Ich denke immer, dass ich nicht besonders talentiert bin. Schaffe ich es, die Menschen von mir zu begeistern? Ich habe Angst. Bestimmt würde ich nie mehr meinem Traum so nah sein wie jetzt. Ausgerechnet jetzt denke ich mal wieder zu viel nach. Warum tauchen plötzlich die ganzen Gedanken in meinem Kopf auf? Ich weiß es nicht. Doch was ich weiß ist, dass ich nicht mehr so weitermachen kann. Warum machen meine Gedanken und meine Selbstzweifel es mir so schwer? Panik überkommt mich. Ich kehre in die Gegenwart zurück und ich merke wie das Publikum unruhig wird. Ich überwinde mich, stelle mich vor das Mikrofon und spiele zitternd die ersten Klänge auf meiner Gitarre. Ich singe unsicher die ersten Zeilen meines Liedes, doch mir treten die Tränen in den Augen, egal wie sehr ich sie zurückhalte. Mein großer Traum lässt mich zusammenbrechen. Es ist mir alles zu viel und plötzlich passiert es. Ich breche zusammen, falle auf den Boden. Ich kann nicht weitermachen, ich kann nicht aufstehen. Die Menschenmenge erstarrt und meine Oma rennt auf mich zu. Mehr bekomme ich nicht mehr mit, denn vor meinen Augen wird plötzlich alles schwarz und ich spüre, wie mein großer Traum zerplatzt.
Am nächsten Morgen...
„Bleib bitte hier. Ich will dir helfen“ spricht Oma. Ich habe ihr erzählt was ich fühle und welche Entscheidung ich getroffen habe. „Du liebst die Musik, du bist Musik. Du kannst sie nicht so einfach aufgeben. Glaub an dich, ich glaube auch an dich. Du wirst es schaffen. Du darfst jetzt nicht aufgeben.“ fleht sie mich an. Ich antworte: „Nein, es ist zu schmerzhaft. Die Musik hat mich immer unendlich glücklich gemacht, so sehr wie nichts anderes. Und genau deswegen ist es um so schmerzhafter, meinem Traum nicht folgen zu können. Meine Eltern erwarten mich Zuhause, ich habe sie angerufen und ihnen erzählt, dass ich jetzt nach Hause komme, nicht erst nächste Woche. Ich verlasse das Haus der Musik. Ich will hier weg, weg von der Musik. Ich gebe die Musik auf. Ich kann nicht mehr“ „Ach Liebes, am liebsten würde ich dich jetzt zurückhalten, dir wenn es sein muss noch 1000-mal sagen, was ich dir schon gesagt habe. Ich muss dich jetzt gehen lassen. Ich habe dich sehr lieb.“ „Ich liebe dich auch Oma. Und es tut mir wirklich unendlich leid. Hier ist es wirklich schön gewesen. Danke, für die glücklichen Zeiten die ich hier verbringen durfte. Doch alles hat mal ein Ende,“ schluchze ich. Oma sagt sanft: „Alles gut, ich verstehe dich.“ Sie nimmt mich in ihre Arme und flüstert mir zu. „Bitte verbanne die Musik nicht für immer aus deinem Leben. Sonst kannst du nie glücklich werden.“
Dieser Sommer hat mein Leben verändert, mein liebes Tagebuch. Schließlich bestand mein früheres Leben fast nur aus der Musik. Ich glaube, dass der innere Schmerz in den meisten Situation viel schlimmer ist, als der Schmerz von äußeren Einflüssen. Gedanken, vor allem die vielen Zweifel sind viel hartnäckiger, man kann sie nicht einfach abschütteln. Doch meine Oma hatte Recht, denn ohne die Musik bin ich unglücklich, egal was vor sechs Jahren geschehen ist. Und jetzt stehe ich erneut vor dem Hause der Musik. Doch jetzt ist alles anders. Auch meine Oma kommt nicht aus dem Haus und begrüßt mich herzlich. Nein, sie ist letztes Jahr leider verstorben. Sie hat mir das Haus der Musik vererbt. Als ich das erfahren habe, waren meine Gefühle völlig durcheinander. Die Erinnerungen von Früher kamen wieder hoch. Doch ich habe begriffen, dass sie mich der Musik wieder näherbringen wollte. Oma meinte ich wäre die Richtige für das Haus der Musik. Das bedeutet mir sehr viel, da ich weiß, wie sehr es ihr am Herz lag. Sie wollte, dass ich zurückkehre um meine Liebe zur Musik aufs Neue zu entfalten. Ich habe mich dazu entschlossen, das Haus der Musik weiterzuführen. Die Musik scheint meine Berufung zu sein, auch wenn sich mein Traum als berühmte Sängerin nicht erfüllt hat. Ich habe lange gebraucht um dies zu erkennen. Doch ich weiß jetzt, dass es ein großer Fehler war aufzugeben und mich von dem zu trennen, was ich doch so sehr geliebt habe, der Musik. Ich habe gelitten, weil ich aufgegeben habe und die Musik aus meinem Leben ausgesperrt habe. Ich habe mir selbst im Weg gestanden und zu sehr an mir selbst gezweifelt. Ich bin nach dem großen Fall nicht aufgestanden und habe weitergemacht. Ich habe damals nicht an mich geglaubt. Doch jetzt will ich das Haus der Musik wiederaufleben lassen. Nicht nur wegen meiner Oma, vor allem, weil ich jungen Künstlern helfen möchte, ihre Träume zu verwirklichen. Sie sollen sich entfalten können, an sich glauben und immer weiterkämpfen, egal was auf sie zukommt. Auch wenn Wünsche und Träume unerreichbar scheinen und sich nicht immer erfüllen, soll man niemals aufgeben. Folge deinen Träumen und entwickele dich weiter. Nichts ist perfekt und der Weg ist manchmal steinig. Die Musik war in meinem Herzen und als ich mich dazu entschieden habe, ohne Musik zu leben, hat es sich angefühlt, als wäre ein Stück meines Herzens mit der Musik fortgerissen worden. Doch mein Herz ist jetzt wieder ganz. Die Musik ist wieder in meinem Leben! Denn für mich war es sehr schwer von der Musik getrennt zu sein. Man soll an dem festhalten, was man liebt, sonst wird man nie wirklich glücklich sein. Und jetzt weiß ich, dass es mein Wunsch ist, hier den Musikern zu helfen und sie zu begleiten. Sie sollen nicht das Gleiche durchmachen wie ich. Ich weiß jetzt, was ich will. Ich weiß, dass ich jetzt nicht aufgeben werde. Und ich weiß, dass sich ein Teil meines Traumes erfüllt hat. Mein Leben ist Musik.
Oma, ich danke dir. Ich habe dich immer lieb.
Ich saß auf meinem Bett und blickte durch mein neues, noch leerstehendes Zimmer. Meine Eltern waren schon wieder umgezogen, doch ich war mit meinem Kopf noch in unserem alten Haus in Kanada. Das Haus war mir das Liebste von allen Häusern in denen wir schon lebten. Immer wenn ich mich bei meinen Eltern beschwerte, wenn sie erneut einen Umzug planten, sagten sie mir nur, dass das zu ihrem Job dazu gehörte. Ich ärgerte mich trotzdem jedes Mal. Ich musste immer in eine andere Schule und neue Freunde finden. Manchmal wurde ich auch Zuhause von einem Lehrer unterrichtet. Das fand ich meistens besser, da es sich eh nicht gelohnt hätte, neue Freunde zu finden. Das hätte jeden Umzug nur schwerer gemacht. Dieses Mal wurde ich aber auf ein Gymnasium geschickt. Ich nahm mir vor, mich unauffällig zu verhalten, um kein Aufsehen meiner neuen Mitschüler zu erregen.
Ich stand auf und ging hinunter ins Esszimmer. Alles war noch voll mit Kartons, gefüllt mit allerlei Möbeln. Nur mein Bett und der Esstisch mit unseren Stühlen stand schon. Meine Eltern hatten Sushi bestellt. Mir wäre eine Pizza lieber gewesen, aber ich sagte nichts, sondern pikste mit meiner Gabel nach einer der kleinen Rollen. Meine Mutter lächelte mich an, aber ich sah schon an ihrem Blick, dass sie gleich wieder aufstehen würde, um „wichtige“ Gespräche am Telefon zu führen. Natürlich für die Arbeit. Von meinem Vater erwartete ich erst gar keine Reaktion. Er schaufelte sich hektisch Fisch in seinen Mund und beachtete mich erst gar nicht. Es war schon ein Wunder, wenn wir für drei Minuten am Tisch saßen und aßen. Ich stand auf und wünschte ihnen eine gute Nacht. Meine Mutter machte eine winkende Handbewegung, die wohl „Dir auch“ bedeuten sollte.
Am nächsten Morgen, wurde ich um Punkt sechs Uhr von meinem Wecker geweckt. Ich stand auf, zog mich an, frühstückte und lief zur Schule. Die Schule lag nah an unserem Haus, deshalb konnte ich zu Fuß hin. Als ich wenig später ankam, staunte ich nicht schlecht. Das Gymnasium war riesig. Es dauerte eine Weile, bis ich meine Klasse gefunden hatte. Ich klopfte an und öffnete die Tür. Mein Lehrer strahlte mich an. „Ah! Unsere neue Mitschülerin! Stell dich doch vor!“ Och nö! Bitte nicht. „Worauf wartest du?“
Ich stellte mich vor die Klasse. Einige schauten mich freundlich an, wiederum andere tippten heimlich auf ihren Handys oder schauten Löcher in die Luft. „Also... ähm ich bin Annelie und äh zwölf Jahre alt und komme gerade aus Kanada. Außerdem... Außerdem werde ich wohl nicht lange hier sein!“
Mit heißem Gesicht setzte ich mich auf einen freien Platz, da der Stuhl daneben auch noch frei war. Da merkte ich, dass mich viele meiner Mitschüler entsetzt anschauten. Ein Mädchen hinter mir, beugte sich zu mir rüber. „Sicher, dass du da sitzen möchtest? Setze dich lieber zu mir.“ Ich schüttelte den Kopf. „Wieso sollte ich?“ „Weil neben dir eigentlich das Mondmädchen sitzt. Keiner will neben der sitzen.“ „Wieso denn nicht?“ „Sie soll angeblich ihre Eltern umgebracht haben und lebt jetzt in einem verlassenen Haus bei den Sümpfen.“ Ich glaubte ihr kein Wort. „Jemanden so etwas zu unterstellen ist fies und gemein!“ Mein Lehrer klatschte in die Hände. „Ruhe bitte!“ Das Mädchen schüttelte verständnislos ihren Kopf und lehnte sich wieder zurück. Wie sonderbar muss dieses Mädchen wohl sein, dass man ihr so etwas Schreckliches unterstellt?
Die Stunden vergingen wie im Flug. Es klingelte zur Mittagspause. Ich setzte mich abseits vom Schulhof alleine auf eine knorrige Bank und beobachtete die anderen Kinder. Wie schon gesagt, es hätte sich nicht gelohnt neue Freunde zu finden. Ich war gerade in Gedanken, als wie aus dem Nichts plötzlich ein Mädchen neben mir saß. Ich hatte sie gar nicht bemerkt. Sie schaute auf die Spitzen ihrer weißen Sandalen. Ihr Gesicht war blass und wimmelte nur so von Sommersprossen. Ihre langen hellblonden, fast weißen Haare hingen offen über ihr weißes Kleid. Eigentlich war fast alles an ihr weiß.
Nur ihre Augen waren blass-blau. „Bist du... das Mondmädchen?“, fragte ich sie. Das Mädchen sagte nichts. „Man unterstellt dir echt Schlimme Dinge. Weißt du das?“ „Ja.“ Ich lächelte sie an. „Ich sitze jetzt neben dir.“
Das Mädchen stand auf. „Das solltest du lieber nicht! Man wird schlecht über dich reden, so, wie die es mit mir tun!“ „Das soll mir egal sein!“ Das Mädchen wollte wieder gehen, doch ich hielt sie schnell am Arm fest. Sie sah mich erschrocken an. „Wieso warst du nicht im Unterricht!?“, fragte ich sie. Sie schwieg und riss sich wieder los. „Bitte komm diese Stunde!“, rief ich ihr nach. Es klingelte und ich lief zur Klasse zurück. Das Mädchen war nicht da. Wo sie jetzt wohl war? Ich setzte mich hin und hörte meiner Englischlehrerin zu. Das Mädchen hinter mir beugte sich wieder zu mir rüber.
„Du hast neben dem Monster gesessen und es angefasst? Du bist echt lebensmüde die anzufassen.“
„Du bist lebensmüde, so etwas über sie zu behaupten, du doofe Kuh.“
Das Mädchen wurde rot vor Wut, als es plötzlich an der Tür klopfte und das Mondmädchen hereinkam.
„Marna Mond? Schön dich mal wieder in meinem Unterricht zu sehen!“, sagte meine Englischlehrerin.
Ohne ein Wort setzte sie sich neben mich. Ich lächelte sie an.
„Das habe ich nur für dich getan.“, flüsterte sie. „Wie schön.“, sagte ich, „Marna.“ Für einen kurzen Moment sah ich ein Lächeln auf ihrem Gesicht. Später nach der Schule fing sie mich ab. „Ich habe meine Eltern nicht umgebracht, sie sind gestorben als ich klein war. Und ich lebe nicht bei den Sümpfen, sondern bei meiner Tante am Waldrand!“ Sie wurde rot.
„Tut mir leid...“ Ich sah sie verdutzt an. „Ich habe nie geglaubt, dass du nur irgendwen umgebracht hast.“ Marna sah mich dankbar an. „Ich bin oft nicht im Unterricht, weil ich meiner Tante helfen muss. Sie ist schon etwas älter und kommt ohne meine Hilfe auf unseren kleinen Hof nicht klar. Die Schule weiß auch davon.“ Ich nickte nur. „Meine Eltern leben noch, aber sie haben kaum Zeit für mich, weil sie sich um ihre Arbeit kümmern müssen. Und wegen der Arbeit müssen wir auch immer wieder umziehen. Wenn ich mich dann deshalb beklage bekomme ich immer das gleiche zu hören. Ich habe mich aber schon daran gewöhnt, ständig umzuziehen.“
Marna schwieg. „Ich bin froh, dir das gesagt zu haben... ich rede nicht viel mit anderen... aber dir kann ich das erzählen, du bist anders...“ „Du auch!“, erwiderte ich.
Am nächsten Morgen sprang ich noch vor sechs aus meinem Bett, zog mich extra schnell an und stopfte mir einen Toast in den Mund. Ich lief zur Schule und freute mich auf Marna. Doch als ich später in die Klasse kam, war sie nicht da. Erst in der letzten Stunde tauchte sie wieder auf. Sie war blasser als sonst und unter ihren Augen hatten sich dicke Augenringe gebildet. „Ist etwas passiert?“, fragte ich sie, doch sie antwortete mir nicht. „Marna?“ Auf meinem Heimweg sah ich sie nicht mehr. Am nächsten Schultag auch nicht. Ich sah sie Wochen nicht. Ich nahm mir vor, am Waldrand nach dem kleinen Hof ihrer Tante zu suchen, aber als ich sah, fand ich keinen kleinen Hof. Auch kein kleines Haus oder anderes. Nur Gras und Bäume. Mehr nicht. Hatte sie mich angelogen? Manchmal meinte ich, sie auf dem Schulhof zu sehen, aber dann war es nur eine Täuschung.
Wenige Wochen später, als ich die Suche nach Marna aufgegeben hatte, las ich in der Zeitung meines Vaters, dass man in einem See, ganz in der Nähe, die Leiche eines Mädchens gefunden hatte. Ich erschrak. War es Marna?
In dieser Nacht konnte ich nicht schlafen. Es klopfte ungefähr um Mitternacht an meiner Zimmertür. Meine Eltern schliefen schon längst. Ich bekam es mit der Angst zu tun, als die Tür geöffnet wurde und ein Mädchen hereintrat. „Marna!? Aber... aber wie kommst du hier rein? Um diese Zeit! Marna!“ Doch sie antwortete mir nicht. Sie lief durch mein Zimmer und schaute aus dem Fenster. „Es tut mir leid Anne, aber wir müssen uns wohl auf Wiedersehen sagen ...“ Ich rieb meine Augen. „Bist du ... echt?“ Sie kam zu mir rüber und legte ihre Hand auf meine. Sie war eiskalt. „Ich danke dir, dass du mir deine Freundschaft geschenkt hast, wenn auch nur für kurze Zeit.“ Mit diesen Worten verblasste sie vor meinen Augen. Marna...
Die Sonne schien hell, als ich auf meinem Fahrrad durch den Wald fuhr. Es war nicht weit, und schon stand ich vor dem alten Waldhäuschen. Es war sehr versteckt. Es hatte ein schönes, hellrotes Dach und einen hübschen, beigen Anstrich. Als ich eintrat knarrten die Dielen. Ich ließ meinen Blick durch den Raum schweifen und sah, dass sich nichts verändert hatte. Ich konnte gar nicht glauben, dass das Häuschen niemandem aufgefallen war. Alles sah noch so aus, wie vor drei Jahren, als meine Eltern entschieden nach Belgien zu ziehen. Nun aber war ich endlich wieder da. Nach langem Betteln und einer zwei stündigen Busfahrt war ich nun endlich wieder hier. Aber ich musste doch einfach wieder herkommen. Ich sah mich erneut um und entdeckte das alte Regal und die zwei Sessel, in denen meine beste Freundin Tamara und ich immer stundenlang gesessen und gequatscht hatten. Die Kuschelecke, die wir Beiden mit Hilfe vieler Kissen und Decken gebaut hatten und natürlich das Körbchen von Stella, der Katze, die Tamara und ich vor drei Jahren im Wald gefunden hatten. Sie hatte weiches Fell, das weiß und schwarz gefleckt war. Sicher streunte sie mal wieder herum. Das hatte sie geliebt.
Plötzlich kam Tamara herein!
„Überraschung!“, rief sie und umarmte mich.
„Was machst du denn hier?“ fragte ich sie, als wir uns in die Sessel fallen gelassen hatten.
„Na was wohl, dich überraschen natürlich!“, erklärte sie grinsend.
„Aber ich denk du bist noch zwei Wochen bei deiner Oma in Spanien? Du wurdest doch extra von der Schule beurlaubt!“
„Ich lasse mir doch nicht die Chance entgehen, meine beste Freundin länger zu sehen.“
Ich umarmte meine Freundin nochmals. „Und was ist mit dir?“, fragte sie. „Musst du denn gar nicht in die Schule?“
„Ich werde hier drei Wochen in deine Klasse gehen!“, rief ich und quiekte vor Freude.
Wir saßen noch sehr lange dort und freuten uns total. Dann rief ich meine Eltern an und fragte sie, ob ich heute statt zurück ins Hotel zu fahren bei Tamara schlafen durfte. Sie willigten ein und gaben zu, schon von Tamaras Überraschungsaktion gewusst zu haben. Also nahmen Tamara und ich unsere Räder und fuhren zu ihr nach Hause. Zum Glück war es ja Sommer und es war noch fast hell. Wäre es Winter, wäre es bestimmt stockduster gewesen. Kaum waren wir bei ihr angekommen, fielen wir schon in die Betten und schliefen ein.
Als ich am nächsten Tag aufwachte, war ich total glücklich. Es war Sonntag, also schulfrei und wir hatten uns vorgenommen ein Picknick vor der Waldhütte zu machen. Also nahmen wir den Picknickkorb, den uns Anette, die Mutter von Tamara, netterweise gepackt hatte, und sausten in den Wald. Dort angekommen packten wir erstmal den Korb aus. Es befanden sich viele Leckereien darin. Sandwiches, Obst, Trinkpäckchen und Anette hatte uns doch tatsächlich einen Kuchen gebacken. Das alles verputzten wir in Rekordzeit und rekelten uns danach gemütlich auf der Picknickdecke in der Sonne. „Ich gehe mal eben den Müll in die Hütte bringen“, sagte ich und verschwand in dem alten Häuschen. Gerade als ich den Müll im Korb verstaut hatte, hörte ich ein komisches Geräusch. Es kam vom Dachboden. „Hey, Tamara! Komm mal her!“, rief ich nach draußen. Ein paar Sekunden später stand sie neben mir.
„Was kann das nur sein?“, fragte sie.
„Keine Ahnung“, gab ich zu. „Sollen wir nachschauen?“
„Ich bin mir nicht sicher“, antwortete Tamara. „Also die Leiter würde uns locker noch aushalten“, sagte sie und deutete auf eine Leiter aus Holz, die neben dem Regal an der Wand lehnte. „Aber mit dem alten Holzdachboden bin ich nicht sicher. Es hat ihn seit drei Jahren keiner mehr betreten.“ „Naja“, erwiderte ich. „Wir müssen ja vielleicht gar nicht auf den Dachboden gehen. Ich denke es reicht, wenn wir die Leiter hochsteigen und nachschauen was dieses seltsame Geräusch ist. Der Rest wird sich ja dann ergeben.“ „Okay, schauen wir nach.“ Wir nahmen also die Leiter und lehnten sie an die vorgegebene Stelle, sodass wir ohne Probleme hochklettern konnten. Tamara kletterte als Erste hoch und ich hielt die Leiter.
„Siehst du schon was?“, rief ich zu ihr herauf. „Oh mein Gott!“, stieß sie aus „Stella!“
„Was ist denn los?“ fragte ich erschrocken.
„Ich gehe jetzt auf den Dachboden“, erklärte Tamara. „Diese Stelle scheint mir sicher zu sein.“ „Okay!“, rief ich und ging ebenfalls nach oben. Dort angekommen schrie ich auf. Stella saß auf der uns gegenüberliegenden Seite des Dachbodens und maunzte kläglich. Sie konnte nicht auf die andere Seite zurück und dort durch die zwei Meter tiefe Luke nach unten springen. Zwischen ihr und der Luke befanden sich mehrere Meter, deren Holzdielen schon Risse hatten, die wahrscheinlich davonkamen, wie die Katze hergekommen war. Stella war gefangen. Würde sie zurückgehen, würde der Boden unter ihr zusammenbrechen. Sie würde stürzen und unter einem Berg aus Holzdielen begraben werden. Aber da sah ich etwas, was mir einen großen Schrecken bereitete: Die Risse breiteten sich immer weiter aus und kamen auf Stella zu! „Was sollen wir nur tuen?“, fragte Tamara. „Wir müssen ihr doch helfen!“ Ich überlegte. Die Feuerwehr würde viel zu lange brauchen! „Was ist, wenn wir etwas werfen, sodass ein Loch entsteht? In das könnten wir dann die Leiter stellen, hochklettern und schnell Stella befreien.“
„Ich glaube, wenn wir die Leiter in die Öffnung lehnen, wird das Loch noch weiter aufreißen.“
„Du hast Recht“, meinte Tamara. „Aber irgendetwas müssen wir doch tun!“
Da viel mir ein wie Tamara und ich uns, als wir jünger waren, Briefchen geschrieben hatten. Dafür hatten wir einen Eimer benutzt, um dessen Henkel wir einen Faden befestigten. Das alles banden wir an eine Fensterbank und konnten nun den „Briefkasten“ hoch und runterziehen. Eine von uns befand sich im Garten und die Andere im Haus.
„Das ist es!“, rief ich „Was denn?“, fragte sie. „Wir machen so eine Art Lift!“
Ich merkte, dass nicht mehr viel Zeit übrig war. Tamara verstand sofort. Sie holte den Picknickkorb und ein Stück Wolle aus dem alten Strickkorb den sie hinter dem Regal fand. Außerdem gab sie mir einen Gummiball. Ich band die Wolle an den Picknickkorb und warf mit dem Ball ein Loch in das morsche Holz. Ich warf das Band um eine der Ecken. Tamara stand darunter und befestigte die Schnur. Sie zog den Korb hoch, sodass Stella nur noch ein paar Schritte laufen musste um ihn zu erreichen. Aber sie lief nicht los.
„Los meine Große, du schaffst das!“, feuerte Tamara sie an. „Was machst sie denn?“, fragte ich. Wir beobachteten wie Stella ganz hinten in der Ecke verschwand. Plötzlich kam sie wieder heraus. Im Maul hatte sie ein Katzenbaby! Sie legte es fürsorglich in den Korb. Das wiederholte sie noch ein paarmal. Kurz darauf lagen Stella und 4 Katzenbabys im Korb. Wir konnten unser Glück kaum fassen. Ich zog den Korb nach unten und Tamara nahm die Katzen sicher in Empfang. „Sie hat Junge bekommen!“, schrie sie überglücklich. „Oh mein Gott! Sind die süß!“, rief ich. Wir nahmen die fünf aus dem Korb und legten sie in Stellas Körbchen. Dort schliefen sie sofort ein. Tamara und ich riefen beim Tierarzt an und vereinbarten einen Termin für den morgigen Tag.
„Ich kann das immer noch nicht glauben!“, sagte Tamara. „Sie hat zwei Mädchen und zwei Jungen bekommen!“
„Wie sollen wir sie denn nennen?“, fragte ich.
„Wie wäre es mit Kitty und Luna für die Mädchen?“, schlug Tamara vor.
„Ja! Das sind schöne Namen! Und für die Jungen vielleicht Felix und Max?“
Tamara nahm sich ein Trinkpäckchen, schüttete ein wenig Mineralwasser hinein.
„Ich taufe euch auf die Namen: Kitty, Luna, Felix und Max“, erklärte sie feierlich und goss etwas Mineralwasser auf jedes der Kätzchen, die so gleich anfingen sich zu putzen. Wir hatten an diesem Tag noch viel Spaß und lachten viel. Und später fielen wir erneut müde in unsere Betten.
Am nächsten Tag gingen Tamara und ich gemeinsam zur Schule. Dort angekommen gingen wir mehrere Treppen nach oben, bis wir vor der Tür standen, die in Tamaras Klassenzimmer führte. Als wir eintraten, herrschte der normale Schultag. Es war laut und alle liefen herum. Tamara lotste mich in die letzte Reihe, in der wir Platz nahmen. Die Lehrerin kam herein und der Matheunterricht begann. Wir machten Wiederholaufgaben zum Thema Brüche. Danach war Deutsch an der Reihe, anschließend noch Geschichte und Erdkunde. Nach der Schule fuhren wir erst in die Zoohandlung, um eine Transportbox zu besorgen, dann zum Waldhäuschen. Wir nahmen die Kätzchen und brachten sie zum Tierarzt. Dieser erklärte, dass sowohl die kleinen Kätzchen als auch ihre Mama gesund waren. Als wir aus der Tierklinik kamen, kauften wir Kitty, Luna, Felix und Max ein paar Katzenspielzeuge, die sie, als wir zurück im Waldhäuschen waren, sofort einweihten. „Sind sie nicht süß?“, fragte Tamara mit verträumtem Gesicht. „Ja, ich könnte ihnen stundenlang zusehen.“, antwortete ich. Und da merkte ich etwas. Es war seltsam. Aber plötzlich wusste ich, was es war. Es war einfach alles perfekt: Tamara war da und uns schwebten noch fast drei Wochen schöner Sommerzeit vor. Außerdem hatte Stella Junge, die gesund waren. Ich wusste, das würde der perfekte Sommer werden!
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Es lebte einst ein Mann im Mond. Seit ungefähr 10 Jahre war er schon Mann im Mond. Trotzdem dachte er oft an seine Zeit auf der Erde zurück. An die Zeit mit seiner Familie, mit seinen Freunden, Kollegen und vor allem an seine kleine Tochter. Damals war sie kein Jahr alt. Als er verstarb, lag sie in ihrer kleinen Wiege im Wohnzimmer. Von diesem Tag an schaute er tagtäglich auf sie herunter. Sie war ein liebes Kind. Heute war ihr elfter Geburtstag. Die ganze Familie war an diesem schönen Sommerabend im Garten versammelt. Langsam wurde es dunkel. Stück für Stück verabschiedeten sich die Gäste. Nun waren nur noch Mutter und Tochter im Garten. Als alles aufgeräumt war gingen sie schlafen. So langsam, so glaubte der Mann im Mond, war seine Tochter bereit für ihre Aufgabe als Mondkind. „Mia, Mia bist du noch wach?“eine leise aber sanfte Stimme weckte Mia aus ihren Träumen. Irgendwo her kannte sie diese Stimme. Wieder flüsterte es: „Mia, Mia komm doch mal ans Fenster.“ Mia konnte sich immer noch nicht erklären, woher diese Stimme kam. Langsam richtete sie sich auf und ging ans Fenster. Was sie dort sah, hatte sie nicht erwartet. Dort saß ein Mann, im Mond auf einem Stuhl. Der Mann nickte ihr aufmunternd zu. „Komm doch hoch zu mir, mein kleines Mondkind. Ich bin dein Vater, falls du dich an mich erinnerst.“ Jetzt verstand Mia gar nichts mehr. Sie und Mondkind? Doch in einer Sache war sie sich auf einmal ganz sicher. Das war ihr Vater. Obwohl sie es noch für sehr unwahrscheinlich hielt, erkannte sie seine Stimme. Jetzt sprach der Mann wieder: „Nur Mut, kleines Mondkind! Vertraue mir. Ab jetzt darfst du mir, dem Mann im Mond helfen. Jede Nacht werden wir gemeinsam jedes Kind dort draußen friedlich träumen lassen.“ Mia war sprachlos und trotzdem nickte sie.
Von nun an werden Mia und ihr Vater alle Menschen auf dieser Welt friedlich träumen lassen. Auch dich…
Es gab einmal eine Ort, der hieß Tulpenstadt. In Tulpenstadt wohnten nicht viele Menschen. Es gab eine kleine Innenstadt mit sehr vielen alten Häusern. Die Stadt hatte ihren Namen, weil es ein sehr großes Tulpenfeld dort gab. Und dort stand ein Haus. In diesem wohnte eine ältere Dame namens Lilly Rose. Ihr Haus war sehr groß. Sie hatte es von ihren Eltern geerbt.
In Tulpenstadt gab es nicht viele Touristen. Deswegen kamen auch nur wenige Leute, um sich das schöne Haus anzusehen. Zu Lilly kam immer nur ihr Freund Heinz: aber auch nur mittwochs zum Kaffee trinken!
Es war der 19. Mai 1982. Lilly putze wie immer ihr Haus. Schon in einer halben Stunde würde Heinz kommen. Sie musste sich beeilen. Noch schnell die Bilder ihrer Familie abstauben. Auf den Bildern waren alle drauf, die hier auch einmal gewohnt hatten. Die Bilder liebte Lilly sehr. Deshalb passte sie gut auf sie auf. „So“, sagte Lilly, „endlich fertig.“ _Gerade schlug die alte Holzuhr auch schon drei. Jetzt musste Heinz kommen, dachte sie. Als zehn Minuten vergangenen waren, dachte Lilly, er würde sich vielleicht nur verspäten. Doch als es dann schon halb vier schlug, wusste Lilly, er kommt nicht mehr. Was war das? Hat da eben ihre Klingel erklungen? Doch, das war ihre Klingel! Schnell lief sie zur Haustür und sagte schon im Aufmachen: „Hallo Heinz.“ _Aber bei Heinz stockte sie. Es war kein Heinz zu sehen. Als Lilly auf die Fußmatte trat, um nachzuschauen, zog sie ihren Fuß schnell wieder weg. Fast wäre sie auf den Brief getreten, der auf ihrer Hausmatte lag. „Huch“, sagte Lilly, „ich bekomme doch fast nie Briefe!“. Vorsichtig hob sie ihn auf und lief damit in die Küche. Lilly legte den Brief auf den Tisch und holte ein Messer aus der Schublade. Sie schnitt den Brief auf, nahm ihn aus dem Umschlag und klappte das Papier auf. Sie las sich laut vor: „Gib mir dein Haus! Sonst zerstöre ich deine Bilder! Wenn Du zur Polizei gehst, bist du dran. Ich beobachte dich den ganzen Tag.“ _Fassungslos starte sie den Brief an. Dann lief ihr eine Träne über die Wange. Dann noch eine und noch eine. Lilly ließ den Brief liegen und ging ins Wohnzimmer. Als sie sich auf die Couch setzte, fing sie erst richtig an zu weinen. Sie konnte es immer noch nicht fassen. Wer würde ihr denn so etwas schreiben? Erstmal beschloss Lilly, sich schlafen zu legen. Als sie fertig im Bett lag, konnte sie nicht einschlafen. Lilly wälzte sich von der einen auf die andere Seite. Doch irgendwann schlief sie dann doch ein.
Lilly wachte total verschlafen am nächsten Morgen auf. Es war neun Uhr. Wie jeden Morgen ging sie zum Kleiderschrank, suchte sich Sachen heraus und lief ins Bad. Als Lilly fertig war mit Duschen und Anziehen, lief sie verschlafen die Treppe herunter in die Küche. Sie erschrak, als die Uhr gerade zehn schlug. Langsam und in Gedanken machte sich Lilly einen Pfefferminztee. Nach zehn Minuten gab der Wasserkocher zischende Geräusche von sich. Sie lief schnell hin und zog ihn vom Strom. Mit der heißen Tasse lief sie ins Wohnzimmer und setzte sich auf die Couch. Ihr gingen nur diese zwei Fragen durch den Kopf: Wer will mein Haus? Und warum?
Sie beschloss, Heinz anzurufen. Gerade hatte sie seine Nummer gewählt, da klingelte es an der Tür. Lilly schreckte zusammen. Sie hoffte so sehr, dass es nicht noch ein Drohbrief war. Vorsichtig ging Lilly zur Tür und guckte genauso vorsichtig durch das Guckloch. Ein Glück, es war nur Heinz, der vor der Tür stand! Als sie die Tür aufmachte, fragte er in einem sehr grantigen Ton: „Was machst du?“. Lilly war ganz erstaunt. So grantig hatte sie Heinz noch nie gesehen. „Wie bitte, was jetzt?“, fragte Lilly verdutzt. „Na, wie du dich entschieden hast?“, sagte Heinz. Lilly starrte Heinz an. „Der Brief“, sagte Heinz noch einmal. Alles, was Lilly hervorbrachte, war: „Aber, aber du?“. „Ja ich“, sagte Heinz. Lilly fing an zu weinen und schluchzte ein „Warum?“ _hervor. Heinz fing an zu lachen. „Du merkst auch gar nichts. Ich bin jeden Mittwoch nur her gekommen, um mir dein Haus anzuschauen. Ich wollte gar nicht mit dir befreundet sein.“ _Der letzte Satz brach Lilly das Herz. „Du hast so ein tolles Haus. Ich und meine kleine 3-Zimmerwohnung - ich halte es dort nicht mehr aus“, schrie Heinz. Lilly
sagte vorschichtig: „Du hättest mich doch fragen können, wir hätten hier zusammenwohnen können. Damit hätte ich kein Problem.“ „Ich aber“, sagte Heinz, „ich hätte eins. Ich will alles für mich. Also gibst du mir dein Haus? Wenn ja, dann unterschreibe hier. Wenn nein, du weißt ja, was dann passiert.“ _Er zog einen Zettel aus der Hose und gab ihn Lilly. „Morgen bin ich um zehn Uhr da“, sagte Heinz. Mit dem Satz drehte er sich um und stieg die Treppen von Lillys Haus herunter.
Weinend machte Lilly die Haustür zu. Dann betrachtete sie den Brief in ihrer Hand. Fünf Minuten später hatte sie sich wieder beruhigt. Mit einem verheulten Gesicht holte Lilly ihren alten Füller. Mit zitternden Fingern unterschrieb sie. Sie wollte auf gar keinen Fall, dass ihren Bildern etwas passierte. Also blieb ihr nichts anderes übrig, als den Brief zu unterschreiben. Als allererstes nahm sie die 18 Bilder ihrer Familie ab. Endlich waren sie alle im Koffer verstaut. Dann packte sie den ganzen Abend lang. Müde ging Lilly um 0:30 Uhr zu Bett. Lilly hatte die ganze Nacht nicht geschlafen, aber trotzdem klingelte ihr Wecker um 8:30 Uhr. Schnell eilte sie zum Kleiderschrank und danach ins Bad. Für das Frühstücken war keine Zeit. Schnell packte sie noch ganz viel anderen Kram ein, den sie nicht zurücklassen wollte. Danach holte sie die Camping-Ausrüstung aus der Garage. Mit aller Kraft wuchtete sie dann die sieben Koffer und drei Rucksäcke in den Kofferraum ihres rosafarbenen Autos.
Als sie den letzten Rucksack in den Kofferraum wuchtete, schlug die große Kirchturmuhr zehn. Auf die Sekunde genau kam Heinz auch schon. Statt „Hallo“ zu sagen, sagte er „so“. Lilly zog missmutig den Zettel aus ihrer lilafarbenen Umhängetasche und reichte ihn Heinz. „Fein“, sagte Heinz, „und jetzt die Schlüssel“. Traurig gab Lilly ihm die Schlüssel. Heinz bedankte sich nicht und scheuchte Lilly zum Auto. Als sie die Tür aufmachte, drehte sie sich noch einmal um. Traurig stieg sie ein und fuhr in die Stadt. Dort parkte sie auf einem freien Parkplatz vor dem Immobilienmaklerbüro von Herrn Meier. Die Tür ging auf und ein Vogel zwitscherte. Herr Meier schaute auf und sagte freundlich „Hallo, was kann ich für sie tun?“. Lilly antwortete: „Eine Wohnung für eine Person am Ende der Stadt.“ _Herr Meier schlug ein großes Buch auf und zeigte Lilly einige Bilder einer Wohnung am anderen Ende der Stadt. „Die nehme ich“, sagte Lilly. Als sie dann bezahlt hatte, verließ sie den Immobilienmakler und stieg in ihr Auto.
Unglücklich fuhr Lilly in die Billerstraße 5. Als sie vor dem Haus stand, wusste sie, dass sie hier nicht so glücklich sein wird, wie in ihrem alten Haus. Lilly schloss auf und lief in den dritten Stock. Auch da schloss sie die Tür auf. Es strömte ihr kalte und nach Putz riechende Luft entgegen. Langsam betrat sie den Flur und suchte den Lichtschalter. Als sie ihn gefunden hatte, machte sie das Licht an und schaute sich um. Alles war so kahl hier. Die weißen Wände gefielen ihr gar nicht. Lilly lief runter und holte die Koffer und die Rucksäcke. Nach 15 Minuten waren alle Koffer und Rucksäcke in der Wohnung. Puh, das war schwer. Jetzt ging es wohl ans Auspacken, sagte sie zu sich selbst.
Es wurde Abend und die Sonne ging unter. Lilly war fertig geworden. Mit der Hand wischte sie sich den Schweiß von der Stirn. Sie hatte Hunger und beschloss, sich beim Bäcker nebenan ein Brötchen zu kaufen. Lilly ging durch den Flur, machte das Licht aus und schloss ab. Langsam und müde stieg sie die Treppen herunter. Als Lilly beim Bäcker war, kaufte sie zwei belegte Brötchen. Lilly hatte keine Lust, in ihre Wohnung zu gehen. Also setzte sie sich auf eine freie Bank vor dem Bäcker. Ein bisschen genoss sie noch die kühle Abendluft. Als sie fertig war, ging sie hoch und machte sich bettfertig.
Die Nacht hatte Lilly sehr unruhig geschlafen. Müde wachte sie um neun Uhr auf. Sie hatte keinen Hunger. Lilly beschloss, sofort im Wald spazieren zu gehen und nachzudenken. Fünf Minuten später stand sie dann vor dem Wald. Als sie ihn betrat, fühlte sie sich etwas heimischer. Die Vögel zwitscherten und die Bäume rauschten im Wind. Das beruhigte sie ein bisschen. Lilly konnte noch immer nicht fassen, was passiert war. „Warum nur war Heinz so gemein“, dachte sie. Vier Stunden verbrachte sie im Wald. Als es dann Abend wurde, ging Lilly nach Hause und legte sich schlafen.
Es waren zwei Wochen vergangen und Lilly hatte sich an ihr neues Leben gewöhnt. Da bekam sie Post. Als sie den Brief aufmachte, war sie erstaunt und überglücklich: Heinz hatte ihr geschrieben, dass sie das Haus zurückhaben kann und die Schlüssel gleich mitgeschickt. „Ich kann den Gedanken nicht mehr ertragen, was ich dir Schreckliches angetan habe.“ _
Schnell packte Lilly alles zusammen. Mit dem Auto fuhr sie zu ihrem Haus. Als sie ausstieg und die Tür aufschloss, erschrak sie. Was war das, alles war kaputt. Lilly war verzweifelt. Schnell lief sie in die Garage und holte alles zum Renovieren ihres Hauses aus der Garage. Eifrig machte sie sich ans Werk. Zwei Tage lang arbeitete sie durch. Als sie alles eingeräumt hatte und fertig war, hängte Lilly feierlich die Bilder ihrer Familie wieder auf. Ihre Wohnung hatte sie für wenig Geld an ein junges Ehepaar verkauft. Aber das war ihr egal. Alles war wieder gut. Die Bilder waren heil und sie hatte ihr Haus zurück. So lebte Lilly die letzten Jahre ihres Lebens überglücklich in ihrem Haus.
Die frühe Morgensonne tauchte den Vorgarten in güldenes Licht und ließ meinen Schatten länger und schmaler erscheinen als er tatsächlich war. Der kleine See in der Ferne hinter dem Haus glitzerte. Die Stille wurde nur von dem Zwitschern der Vögel und dem Knirschen meiner Sohlen auf dem Kiesweg unterbrochen. Ich war schon oft hier entlanggelaufen. Früher, als ich noch klein war, hatte es nur diesen einen Weg hinaus in die Welt gegeben. Das Anwesen hatte viel größer und eindrucksvoller gewirkt. Eigentlich hatte alles größer und eindrucksvoller gewirkt. Doch jetzt war das Volumen des Hauses in meinen Augen kaum größer, als das des Appartements in dem ich jetzt lebte. Und doch war dies hier mehr als nur ein altes Haus, als das die meisten Leute es heutzutage abgestempelt hätten. Es war der Ort, den ich früher mein Zuhause genannt habe.
Ich schloss die alte Tür auf und trat ein. Die Diele war noch immer recht kahl und ich rechnete jeden Augenblick damit, dass eine Stimme fragte, ob ich es sei, Elena. Doch egal wie angestrengt ich auch lauschte, kein Laut drang aus den Tiefen des Hauses.
Es war… merkwürdig. Hier zu sein. Nach all den Jahren. Nach dem, was hier geschehen war. Allein beim Gedanken wurde mir ganz kalt. Schnell schloss ich die Erinnerung zurück in die dunkle Ecke meines Bewusstseins, wo sie schon seit über zehn Jahren verweilte.
Ich öffnete die Tür zu meiner Rechten und besah mir die Überreste dessen, was ich früher
„Wohnzimmer“ genannt hatte. Heute bestand es nur noch aus einem abgewetzten alten Sofa und einem billigen Teppich. Beides konnte entsorgt werden. Ich nahm mir vor, die Wände streichen zu lassen bevor meine Mutter das Haus endgültig zum Verkauf anbot.
Als nächstes war die Küche an der Reihe. Sie war ebenso kahl wie die Diele. Auch das Bad stand, abgesehen von einer Toilette, einer Badewanne und einem Waschbecken leer. Alle anderen Zimmer waren schon längst leergeräumt. Sie bedurften keiner näheren Betrachtung. Blieben nur noch der Keller und der Dachboden, meinem alten Zimmer.
Die Holztreppe am Ende der Diele ächzte bei jedem meiner Schritte, als ich in den Keller
herabstieg. Der Keller hatte sich in all den Jahren kaum verändert. Schon früher war er verstaubt und voller Spinnweben gewesen. Spinnen. Angeekelt verzog ich das Gesicht. Als ich noch zur Schule ging, hatte ich in einem der Lehrbücher ein Bild von einer Tarantel gesehen. Bei dem Gedanken konnte ich nur knapp ein Würgen unterdrücken. Im Allgemeinen hatte ich ja nichts gegen Spinnen. Solange sie mir nicht zu nahe kamen, kam ich ganz gut mit ihnen klar. Dennoch war es immer wieder aufs Neue eine unangenehme Erfahrung, sie an Wänden und Decken hängen zu sehen.
Im Keller befanden sich nur ein paar leere Regale und ebenso leere Kartons, die
aufeinandergestapelt quer im Raum herumstanden. Ich sollte sie ebenfalls entsorgen. Am besten fing ich schon jetzt an, sie in die Diele zu tragen. Dann hätte ich in den nächsten Tagen weniger zu tun. Allerdings wollte ich zuerst auf den Dachboden. Also stieg ich die Treppe hinauf bis zu meinem ehemaligen Zimmer, nur um enttäuscht feststellen zu müssen, dass es ebenfalls leer stand. Was hast du denn erwartet, fragte ich mich selbst. Etwa, dass sich ausgerechnet hier nichts verändert hat? Ja, ich hatte tatsächlich nicht mit einer Veränderung gerechnet. Wenigstens ein Teil von mir hatte sich gewünscht, dass ich mein altes Zimmer so vorfinden würde, wie ich es noch in Erinnerung hatte.
Das einzige, was ich noch wiedererkannte, war das große Fenster, das einen Blick auf den Vorgarten freigab. Die Wände hier waren bereits neu gestrichen worden und der Boden war jetzt mit mit einem weichen violetten Teppich bedeckt, der das helle Parkett darunter verbarg.
Vor meinem inneren Auge konnte ich noch das Bett sehen, dass immer an der Wand gestanden hatte, die dem Fenster gegenüberlag. Neben der Tür hatte immer eine Kommode und mein Kleiderschrank gestanden und die gegenüberliegende Wand war immer hinter Regalen voller Bücher versteckt gewesen. Jetzt war alles leer, als ob ich nie hier gelebt hätte.
Kopfschüttelnd ging ich wieder nach unten und trug die Kisten in die Diele.
***
Es war schon später Nachmittag und ich wartete bereits ungeduldig auf Katharina. Kat und ich, wir hatten alles genau abgesprochen. Tief in die Nacht hinein Filme gucken und über die Schule und die Bücher, die wir beide kannten, reden. Ich hatte noch nie eine Übernachtung organisiert und war schon ganz aufgeregt. Aber was sollte schon schiefgehen?
Minutenlang spielte ich meinem Hausschlüssel bis ich das silberglänzende Auto in den Feldweg, der zu meinem Zuhause führte, abbiegen sah. Freudestrahlend sprang ich auf und ab, der Schlüssel klimperte schrill, und wedelte mit den Armen… bis mein Handgelenk schmerzhaft gegen einen der Zaunpfosten schlug. Erschrocken jaulte ich auf und wollte mir die Wunde schon näher ansehen, aber da hielt das Auto schon in der Auffahrt und ich zwang ein Lächeln auf mein Gesicht.
„Hi! Tut mir Leid, dass ich mich ein bisschen verspätete habe.“, begrü.te Kat mich.
„Nicht schlimm. Komm doch rein.“
Der Schmerz in meiner Hand war inzwischen wieder abgeklungen und als ich kurz einen Blick auf sie warf, konnte ich keine offensichtlichen Verletzungen erkennen.
Kat war inzwischen schon vorgegangen und bewunderte die Blumen im Vorgarten. Es waren
hauptsächlich Tulpen, die hier schon vor meiner Geburt gewachsen waren, also schon vor mehr als elf Jahre.
„Euer Haus ist voll schön.“, hörte ich sie sagen. Ich reagierte mit einem Nicken. Wie musste es auf sie wirken? Ich war es gewohnt in diesem Haus zu wohnen, aber sie? Soweit ich wusste, lebte sie etwas weiter abseits der Stadt, also noch weiter als wir, aber ob sie in einer Wohnung oder in einem Haus lebte hatte sie mir nie erzählt. Ich versuchte, das Haus mit ihren Augen zu sehen. Es war groß.
Efeuranken wanden sich um die Bäume neben dem Haus und krochen an der Fassade hoch. Ganz oben waren sie noch nicht, aber besonders lange würde das nicht mehr dauern. Vielleicht noch ein halbes Jahr, wer weiß? Das Haus war gänzlich in einem hellen Weißton gestrichen, das an manchen Stellen aber schon abblätterte. Das lichte Gestrüpp hinter dem Haus gab einen Trampelpfad frei, der zu einem See führte, den man schon hier relativ gut erkennen konnte. Insgesamt würde ich das Haus eher als „alt“ bezeichnen, aber es hatte dennoch etwas… Friedliches.
Kat war schon längst in das Haus gegangen und wurde von meinen Eltern begrü.t, die Katharina bisher nur gesehen hatten, wenn sie mich von der Schule abholten. Dies würde vermutlich das letzte Mal sein, dass uns jemand in diesem Haus besuchte. Ein Bekannter meines Vaters hatte Interesse an dem Haus und wir überlegten schon länger, ob es nicht Zeit war endlich umzuziehen.
„Kommst du?“, rief meine Freundin und warf mir einen fragenden Blick zu. Wieder nickte ich nur und fragte ihre Mutter, eine große, aber freundlich wirkende Frau, noch, ob sie Kat morgen früh hier abholte oder ob wir sie zurückbringen sollten. Sie erwiderte, dass sie ohnehin hier vorbei müsse, wenn sie zu Arbeit fahre und winkte noch kurz ihrer Tochter zu bevor sie zurück in ihr Auto stieg.
Ich sah ihr noch einen Moment nach bevor ich auf dem Absatz umdrehte und Kat folgte, die sich gerade im Wohnzimmer umsah.
„Hast du Hunger?“, fragte ich sie, da es Zeit für das Abendessen war.
„Wie ein Bär. Was gibt es denn?“
„Hm… worauf hast du denn Hunger?“
„Weiß nicht. Spaghetti?“, fragte sie ratlos zurück und zuckte die Schultern.
Da mir auch nichts besseres einfiel, sah ich zu meiner Mutter, die den Wortwechsel geduldig
verfolgt hatte.
„Spagetti geht in Ordnung“, sagte sie und ging aus dem Wohnzimmer in die Diele zur Küche.
Dann schwiegen wir eine Weile. Sie sah sich weiter in unserem Wohnzimmer um und ich stand am
Fenster und beobachtete die Vögel, die vor kurzem wieder aus dem Süden gekommen waren und jetzt in den Bäumen hockten.
„Ihr habt ein wirklich schönes Haus“, wiederholte sie noch einmal ihre Aussage von eben.
„Finde ich auch“, stimmte ich ihr zu, erleichtert, dass sie ein Thema gefunden hat über das wir reden konnten. „Leider zeihen wir bald um.“
Überrascht hob sie die Augenbrauen.
„Wieso denn das?“
„Na ja, es ist noch nicht ganz sicher, aber wir haben schon länger überlegt, ob wir nicht weiter in der Stadt wohnen sollen. Dann wäre der Weg zur Arbeit kürzer und ich könnte auch zur Schule laufen. Wir haben auch schon einen Interessenten für das Haus, aber…“
„Essen ist fertig“, unterbrach mich meine Mutter.
„...aber wir sind eben noch nicht ganz sicher“, beendete ich meinen Satz und ging dann mit Kat in Richtung Küche.
Es war schon tiefste Nacht, als ich die Geräusche das erste Mal hörte. Katharina hatte ihren
Schlafsack auf dem Boden neben meinem Bett ausgerollt und war schon längst eingeschlafen. Ich selbst war noch immer wach. Ich hatte erst vor wenigen Minuten mein Buch beiseite gelegt und wurde nur langsam immer müder.
Als das Scharren zum ersten Mal erklang, war ich gerade dabei einzuschlafen und ignorierte das Geräusch geflissentlich. Als ich es jedoch zum fünften oder sechsten Mal hörte, stutzte ich und fragte mich endlich, was das so spät noch sein möge. Aufmerksam wartete ich darauf, dass das Geräusch wiederkam. Mein erster Gedanke war, dass meine Mutter oder mein Vater sich ein Glas Wasser holten, aber dann ertönte noch ein anderes Geräusch: Ich hörte jemanden leise reden.
Vorsichtig stieg ich aus dem Bett, damit ich Kat nicht weckte und schlich zur Tür. Ich hatte nicht sonderlich viel Angst. Wieso auch? Ich rechnete nicht mit einer ernsthaften Gefahr.
Die Zimmertür öffnete sich für meinen Geschmack viel zu laut und meine Schritte auf der Treppe klangen ebenfalls außergewöhnlich laut, doch wer auch immer noch hier war, sie hatten mich nicht bemerkt. Noch nicht.
Ein neues Geräusch mischte sich in die alten. Ein Kratzen wie von Metall auf Metall. Ganz leise zwar, aber laut genug, dass ich ihren Ursprung ausmachen konnte. Sie kamen von der Haustür.
Mein Vater schloss die Tür immer ab und ich hatte keine Idee, warum jemand zu dieser Zeit noch vor unserem Haus sein sollte. Außer es waren Einbrecher.
Ich wusste, dass ich nach meinen Eltern rufen sollte, aber irgendwie… konnte ich es nicht. Es war als ob etwas in meinem Hals feststeckte, dass mich daran hinderte einen Laut von mir zu geben.
Und dann ertönte ein Knacken, die Tür öffnete sich einen Spalt und das Flüstern endete.
Sie haben mich entdeckt, dachte ich panisch, sah mich aber trotzdem nach einem Versteck um. Die Tür wurde unterdessen langsam immer weiter geöffnet. Wieder heraufgehen zu meinem Zimmer konnte ich nicht, die Einbrecher (ich war mir inzwischen ziemlich sicher, dass es sich um
Einbrecher handelte) würden mich sehen. Die Treppe zum Keller jedoch lag in tiefer Dunkelheit…
Die Tür wurde gänzlich geöffnet und versteckte mich in den Schatten, die die Treppe mir bot. Ich wusste nicht, ob ich zu laut gewesen war, ob sie mich gesehen hatten, ob sie mir folgten, aber ich schlich dennoch so schnell wie ich konnte in den Keller und versteckte mich in einer der Ecken, versteckt hinter einer Wand aus Pappkartons. Ich wagte kaum zu atmen, geschweige denn mich zu bewegen, als ich durch den Spalt zwischen zweier Kartons eine einzelne dunkle Gestalt hinabsteigen sah.
Das helle, aber gedämpfte Licht einer Taschenlampe wanderte durch den Raum, beleuchtete
Kartons und Wände und für kurze Zeit auch die Türme aus Karton, in deren Schatten ich mich versteckte. Mein Herz setzte einen Schlag aus, nur um dann umso schneller weiter zu schlagen.
Schweiß rann über meinen Rücken und plötzlich spürte ich etwas meinen Arm entlang krabbeln.
Spinnen, kam es mir in den Sinn und ich presste meine Lippen aufeinander, um die Übelkeit, die in mir aufstieg, zu unterdrücken.
Der Schein der Taschenlampe wurde heller und größer, wahrscheinlich weil der Einbrecher jetzt sicher war, dass niemand anwesend war, was mich einigermaßen beruhigte. Ich wurde noch nicht entdeckt.
Der Einbrecher trat tiefer in den Raum hinein. Die Spinne krabbelte meine Schläfe hoch. Und dann konnte ich es nicht mehr zurückhalten. Ich wimmerte leise. Nur eine Sekunde lang, aber lange genug, dass der Lichtkegel, den die Taschenlampe warf in meine Richtung schwenkte. Jetzt war die Spinne auf meinem Kopf.
Ich wusste nicht wieso. Ich wusste nicht wie, aber irgendwie hat der Einbrecher mich übersehen.
Nur ein einzelner Turm aus Pappkartons schützte mich vor dem Licht. Die Hälfte meines
zusammengekauerten Körpers müsste deutlich zu sehen gewesen sein. Aber ich wurde dennoch nicht entdeckt.
Der Einbrecher sah sich noch auf der anderen Seite des Kellers um und irgendwann war auch die Spinne wieder verschwunden. Nach einiger Zeit (es erschien mir, als ob Jahre, nein, Jahrzehnte vergangen wären) ging die Gestalt wieder nach oben und ich traute mich endlich wieder frei zu atmen. Und dann kam mir ein furchtbarer Gedanken. Hatten die Einbrecher meine Eltern oder Katharina gefunden? Plötzlich hielt ich es nicht mehr aus, mich hier zu verstecken. Leise schlich ich die Treppe hinauf in die Diele. Niemand war zu sehen, doch die Haustür stand immer noch offen.
Noch immer waren leise Geräusche im Haus zu vernehmen, aber keine Schreie, kein Anzeichen, dafür, dass jemand angegriffen wurde. Ich sollte Hilfe holen. Auch wenn es mir schwerfiel, meine Eltern und Kat zurück zu lassen, so musste ich doch gestehen, dass ich keine Gefahr für die Einbrecher darstellte. Ich war lediglich ein Mädchen ohne Waffen oder Kunde von Kampfsportarten.
Zum Ausgang und dann am Feldweg rechts abbiegen. Wenn meine Eltern mich zur Schule fuhren, nahmen wir immer diesen Weg und ich wusste, dass etwas mehr als einen Kilometer weiter eine Wohnsiedlung war. Wenn ich es bis dahin schaffte, konnte ich die Bewohner um Hilfe bitten. In diesem Haus gab es nur ein Telefon und das lag im Wohnzimmer, da, wo auch die meisten der Geräusche herkommen mussten. Die Wohnzimmertür war angelehnt, man würde mich nicht sehen, wenn ich vorbei ging. So leise wie ich konnte schlich ich auf den Ausgang zu und lauschte alle paar Schritte auf ein Zeichen, dass einer der Einbrecher aus den Zimmern kam. Noch während ich die Wohnzimmertür passierte, konnte ich hören, wie auf der anderen Seite jemand atmete. Nur noch zwei Meter bis zur Haustür… ein Meter… und dann war ich draußen. Langsam atmete ich aus. Ich hatte nicht einmal gemerkt, dass ich die Luft angehalten hatte. Und erst jetzt wurde mir wieder bewusst, dass ich noch meinen Schlafanzug anhatte und die feinen Spitzen den Schotters bohrten sich in meine Fußsohlen. Schnell lief ich weiter, bis zu den Zaunpfosten. Den ganzen Weg über sah ich nur zu Boden und achtete darauf, wohin ich trat, als ich zwischen den Tulpen etwas glitzern sah.
Ich wollte es schon näher betrachten, doch dann hörte ich es rascheln. Mein Kopf hob sich und ich sah eine schwarze Gestalt aus dem Gestrüpp links neben dem Haus schnell auf mich zukommen.
Hinter ihr sah ich einen Teil eines Autos, das ebenfalls von den Gebüschen verdeckt wurde. Als mein Blick zurück zur Gestalt in Schwarz ging, merkte ich nur zu deutlich, dass ich zu viel Zeit mit Nachdenken verbracht hatte. Sie war kaum noch zwei Meter entfernt und war vermutlich schneller als ich. Auf der geraden Strecke, den der Feldweg bot, würde sie mich locker einholen. Mein Blick ging zu dem Trampelpfad, der zum See führte. Wenn ich sie jedoch irgendwohin lockte, auf eine offene weite Fläche, die täglich von jeder Menge Leute besucht wurde, auch bei Nacht, konnte ich Hilfe bekommen. Noch bevor ich meinen Gedanken zu Ende gedacht hatte, setzten sich meine Beine in Bewegung und trugen mich zum Trampelpfad, über die platt getretenen Dornen, hinweg über am Boden liegende Äste und immer näher zum See. Ich sah, wie die glänzende Wasseroberfläche immer näher kam, zu schnell, als das ich noch stoppen könnte, und plötzlich war ich auch schon im Wasser. Und dann waren da Hände, die meinen Kopf ins Wasser drückten. Erst dann konnte ich wieder schreien, was ich dann auch tat. Für kurze Zeit konnte ich mich wieder an die Luft kämpfen, aber plötzlich war ich wieder unter Wasser und konnte nicht mehr atmen. Die Luft ging mir langsam aus. Panisch wedelte ich mit den Armen, mein Hals brannte und in meinen
Ohren rauschte mein Blut. Und dann wurde alles schwarz.
***
Als ich die Augen öffnete, lag ich wieder in der Diele, zwischen den Kartons, die ich hochgebracht hatte. Es war nur ein Traum, nur eine Erinnerung, stellte ich erleichtert fest und stand auf. Kurz erfasste mich Schwindel und ich schwankte, fing mich aber sofort wieder.
Damals, nach dem Einbruch, hatten meine Eltern mir erzählt, was passiert war nachdem ich
bewusstlos geworden bin. Ich hatte Recht gehabt, dass sich auch nachts Leute am See befanden.
Auf der anderen Seite des Sees hatten ein paar Leute jemandes Geburtstag gefeiert und Hilfe geholt, als sie meine Schreie gehört hatten. Ein Teil der Einbrecher wurde ertappt, als sie gerade flüchten wollten und der Rest der Truppe wurde von den bereits gefangenen Einbrechern verraten.
Meinen Eltern oder Kat war nichts passiert. Katharina hatte irgendwann bemerkt, dass ich nicht da war und die Stimmen im Haus gehört. Sie war wie ich raus geschlichen und hat mich aus dem Wasser gezogen, nachdem die Gestalt in Schwarz weggegangen ist. Einige Tage später kauften meine Eltern ein kleines Haus in der Stadt und wir zogen wenige Wochen später um. Das Haus vermieteten wir an den Bekannten meines Vaters, der jetzt in eine andere Stadt gezogen war. Ich selbst habe jahrelang nicht mehr an dieses Gebäude gedacht. Meine Eltern sagten immer hartnäckig, dass wir umgezogen waren, weil der Weg zur Arbeit in der Stadt leichter war, aber ich wusste, dass dieses Ereignis der eigentliche Grund war. Kat habe ich seit Ewigkeiten nicht mehr gesehen. Soweit ich wusste, lebte sie ihn einem anderen Land.
Ich öffnete die Tür, ging hindurch und schloss sie wieder ab. In den nächsten paar Tagen würde ich noch einmal herkommen, um die Kartons abzuholen. Die Wände konnte ich auch später streichen lassen.
Gerade als ich an den Zaunpfosten vorbeiging, sah ich wieder das Glitzern zwischen den blühenden Tulpen. Als ich mich hinkniete und es aufhob, erkannte ich meinen alten Hausschlüssel. Ich hatte ihn komplett vergessen. Er musste mir aus der Hand gefallen sein, als ich mit meinem Handgelenk gegen den Zaunpfosten gerammt war. Ich sah ihn einige Zeit einfach nur an, steckte ihn dann ein und ging zurück in die Stadt, zurück nach Hause.
„Luna, beeil dich! Du kommst noch zu spät zur Schule,“ hörte man die Stimme von Lunas Mutter nach oben hallen. „Ja, Mum, ich komm ja schon“, antwortete Luna. Schnell polterte sie die Treppe runter. Ihre Mutter schaute sie mit gestresstem Gesicht an. Luna aß schnell ihr Müsli, nahm ihre Schultasche und machte sich auf den Weg zur Schule. Dafür musste sie am Waldrand entlanglaufen. Plötzlich hörte sie ein Knacken, das aus dem Wald kam. „Alles gut, Luna, das war bestimmt nur ein Vögelchen und nichts anderes“, versuchte sie sich selbst Mut zuzusprechen. Doch kurz darauf hörte sie eine leise Stimme. Die Stimme war zwar leise, hörte sich aber unglaublich majestätisch an. „Hallo Luna, ich bin Shakira und ich besser gesagt wir brauchen deine Hilfe!“ Luna blieb wie erstarrt stehen. Ganz langsam drehte sie sich um. Hinter ihr stand ein kräftiger, weißer Wolf mit leuchtend blauen Augen. Luna holte Luft, um einen lauten Schrei auszustoßen. Doch ihre Kehle war wie zugeschnürt. „Bitte schrei nicht, Luna. Ich weiß, das kommt dir komisch vor, aber das Reich der Mondwölfe ist in Gefahr. Nur du kannst uns helfen“, flehte Shakira. Luna überlegte. „Also, wenn das hier ein Traum ist, dann wache ich jetzt auf.“ Doch Luna wachte nicht auf. Es war nämlich auch kein Traum. Darauf meinte Shakira: „Es tut mir Leid, dich enttäuschen zu müssen. Aber dies ist kein Traum. Hilfst du uns, Luna?“ Luna ging das alles viel zu schnell. Plötzlich steht ein sprechender Wolf vor ihr und braucht ihre Hilfe. Wieso eigentlich ihre? Es gibt tausend Mädchen die schwarze Haare und blaue Augen haben und zwölf Jahre alt sind. Sie wollte gerade sagen, dass sie nicht für so etwas geeignet ist, als ihre Neugier dann doch gewann. Also fragte sie: „Was muss ich tun?“
Shakira war sehr erleichtert. „Zuerst einfach ruhig stehen bleiben“, erklärte sie. Luna gehorchte. Shakira hob ihre Pfote und es passierte etwas Magisches. Luna bemerkte, wie ihre Füße zu Pfoten wurden, ihre Ohren wurden groß und spitz und auf einmal war sie ein Wolf. Luna wollte aufschreien, doch es kam nur ein Jaulen aus ihrem Mund. Sie wurde augenblicklich ohnmächtig. Als sie wieder zu sich kam, war alles anders. Sie wusste, dass sie nicht mehr auf der Erde war. Es war eine andere Welt, so wunderschön. Luna flüsterte: „Wo bin ich?“ Shakira antwortete: „Wir sind durch ein Portal in die Welt der Mondwölfe gelangt.“ Luna schaute sich um. Der Himmel war dunkel. An ihm prangten die schönsten Sterne und der hellste Mond, den Luna jemals gesehen hatte. Shakira erklärte Luna jetzt, was sie zu tun hatte: „Also vor ein paar Tagen hat ein komischer Junge eins von unseren Portalen entdeckt. Er hat nicht mal gezögert und ist direkt reingegangen. Er hat unsere Welt entdeckt. Das ist garnicht gut. Er weiß nun von uns. Er hat alles den Erwachsenen erzählt. Jetzt gehen die Menschen auf die Suche nach uns. Wir sind in Gefahr, Luna. Nur du kannst uns helfen. Außerdem haben wir noch ein anderes Problem. Mein Volk heißt nicht ohne Grund Mondwölfe. Wir geben dem Mond seine Energie, damit er leuchten kann. Dafür benötigen wir aber Mondstaub und der wird knapp. Du bist das Mondkind, du kannst Mondstaub zaubern. Aber zuerst habe ich ein Geschenk für dich.“ Shakira hob wieder ihre Pfote und plötzlich trug Luna eine Kette mit einem hellblauen Anhänger. „Oh, vielen Dank, Shakira. Die Kette ist wunderschön. Ich kenne den Jungen übrigens. Es ist Leonard aus meiner Klasse. Er redet seit Tagen von nichts anderem.
Leonard ist ein kleiner Streber. Er ist der Beste in meiner Klasse. Er hat bis jetzt nur Einsen geschrieben“, meinte Luna. Darauf antwortete Shakira: „Das ist natürlich super! Du musst seine Erinnerung einfangen.“ „Na gut, aber wie soll das funktionieren?“, fragte Luna. Shakira antwortete: „Du musst den Stein von der Kette auf seine Stirn halten und „Harlobitus“ sagen.“
Shakira brachte Luna wieder zurück auf die Erde und verwandelte sie wieder in einen Menschen. „Shakira, es gibt ein Problem. Ich wette, die Schule hat schon längst angefangen“, sagte Luna. Nun machte Shakira ein amüsiertes Gesicht. Luna beeilte sich sehr, doch zu ihrer Überraschung war sie viel zu früh dran. Jetzt wusste sie, warum Shakira dieses Gesicht gemacht hatte und musste selber grinsen. In der Schule ging sie dann zielstrebig auf Leonard zu und behauptete: „Leonard, ich kann deine Gedanken lesen.“ Leonard bekam einen Lachanfall. „Wenn du meinst. Obwohl das eigentlich nicht sein kann. Es ist wissenschaftlich erwiesen, dass Menschen keine Gedanken lesen können. Aber wenn du meinst, versuch es“, meinte er. Also nahm Luna ihre Kette und legte sie ihm an die Stirn und flüsterte: „Harlobitus“. Leonards Augen leuchteten kurz hell auf und er vergaß alles über die Mondwölfe.
Nach der Schule ging Luna wieder zu Shakira. „Hat es geklappt?“, fragte Shakira. Luna nickte stumm. Shakira war sehr glücklich und meinte: „Vielen Dank, Luna. Jetzt musst du nur noch eine Sache für uns tun.“ Sie brachte Luna wieder in die Welt der Mondwölfe. Diesmal blieb Luna aber ein Mensch. Luna fragte: „Wie kann ich jetzt helfen?“ „Lege deine Hände auf diesen leuchtenden Stein, Luna. Von ihm bekommen wir den Mondstaub. Du musst dich sehr konzentrieren, Luna“, erklärte Shakira. Luna legte ihre Hände auf den Stein und er leuchtete ganz hell auf. Shakira war begeistert. „Vielen Dank, Luna, jetzt ist unser Speicher von Mondstaub wieder voll“, bedankte sie sich. Luna freute sich und sagte: „Das habe ich gern getan, Shakira.“ Plötzlich sah Shakira traurig aus. Sie sagte: „Luna, du wirst gleich aufwachen und denken, dies wäre ein Traum gewesen. Es tut mir Leid.“ Luna umarmte Shakira und wachte auf. Doch Luna musste lächeln, denn sie trug immer noch ihre Kette. „Vielen Dank für dieses Abenteuer, Shakira“, murmelte sie.
Wir liefen über Steine, durch Sümpfe und über Schlachtfelder voller Leichen. Einige Menschen atmeten noch, doch wir hatten keine Zeit, ihnen zu helfen. Wir sind drei Jungen von 14 Jahren, die vor dem Krieg in unserem Heimatland Deutschland fliehen mussten, da Darkland unsere Heimatstadt bombardiert hatte. Unsere Namen sind Tom, Jan und mein Name ist Robert. Meine Familie wurde bei einem Bombenangriff getötet. Wir mussten uns ständig in Acht nehmen, da bewaffnete Soldaten das Gebiet bewachten. Wir wollen aus Berlin bis an die polnische Grenze, denn dort sind wir sicher. Wir liefen durch schlammige Sümpfe, immer wieder stolperten wir. Plötzlich hörten wir Schüsse. „Schnell auf den Boden und so tun, als wärt ihr tot“, rief ich. Die Soldaten hatten uns zum Glück weder gesehen noch gehört. Dennoch liefen sie mit ihren harten Schuhen über unsere Körper hinweg. Als sie weg waren, fanden wir uns schnell zusammen. „Tom hat einen Metallsplitter im Kopf stecken“, Jan schnappte nach Luft. „Das wird schon wieder“, sagte ich beruhigend, doch insgeheim wusste ich, dass er nur eine kleine Chance hatte, zu überleben. „Lasst uns Waffen von den Toten nehmen und dann nichts wie weg hier!“
Wir kamen in ein Waldgebiet. Die Blätter raschelten im sanften Wind, doch die Bäume knarrten bedrohlich. „Lasst uns hier schlafen“, schlug Jan vor, „dort ist eine kleine Höhle.“ Als wir uns alle hineingezwängt hatten, ging ich etwas Wasser von einem Fluss, der tiefer im Wald lag, holen. Damit kühlten wir Toms Wunde. „Wir müssen so schnell wie möglich ein Krankenhaus finden, ich halte das nicht mehr lange aus!“, sagte Tom. „Ruh dich erst mal aus, ich übernehme die erste Wache“, sagte ich und setzte mich mitsamt Gewehr an den Eingang der Höhle. In der Nacht passierte nichts Außergewöhnliches. Am nächsten Tag wanderten wir wachsam durch den Wald, als Tom plötzlich anfing zu taumeln. „Stützt mich“, quälte er aus sich heraus. Jan und ich eilten herbei und legten unsere Arme um unseren Freund. Ich warf Jan einen vielsagenden Blick zu, doch er verstand sofort. Tom würde nicht mehr lange leben. Mit Tom auf den Schultern kamen wir viel langsamer voran, doch wir konnten ihn nicht einfach zurücklassen. Er war unser Freund. Nach 20 Minuten ohne größere Zwischenfälle sahen wir plötzlich ein weißes Zelt in einiger Entfernung. Instinktiv gingen wir in Deckung, doch es kam niemand in unsere Richtung. „Was ist das?“, fragte Jan. „Ich glaube“, ich kniff die Augen zusammen, „ich sehe dort ein rotes Kreuz. Leute, das ist ein Feldlazarett.“ „Heißt das, dort bekommt Tom Versorgung?“, fragte Jan erwartungsvoll. Tom schäumte es mittlerweile aus dem Mund. „Nicht direkt“, musste ich Jan enttäuschen, „neben dem roten Kreuz prangt die Flagge von Darkland. Das bedeutet, dass die keine Deutschen freiwillig reinlassen werden.“ „Aber“, stotterte Jan, „Tom ist doch verletzt.“ „Ja das ist er“, sagte ich entschlossen, „und wenn sie uns nicht reinlassen, dann werden wir ohne Erlaubnis dort reingehen.“ „Du willst da doch nicht einbrechen, oder?“. „Doch genau das will ich, also, Jan, komm mit. Tom, du bleibst erst mal hier. Wenn wir in fünf Minuten nicht zurück sind, dann darfst du nach uns suchen.“ Tom nickte nur, er war blass wie ein Vampir. Jan und ich liefen langsam auf das Zelt zu. Zuerst suchten wir die hintere Seite nach einem zweiten Eingang ab und fanden ihn auch. „Jan, hierher“, flüsterte ich. Mit gemischten Gefühlen betraten wir das Lazarett.
Drinnen sah es aus wie in einem Krankenhaus. „Scheinbar sind wir im OP-Saal gelandet“, meinte Jan skeptisch. Überall lagen Schläuche, in der Mitte des Raumes stand ein Bett, und allerlei Zubehör lag im Raum verteilt. Wir durchwühlten das Zubehör auf der Suche nach brauchbaren Hilfsmitteln. „Ich habe Desinfektionsmittel“, rief ich nach einer Weile. „Und ich Nadel und Faden und jede Menge Creme. Das nehme ich alles mit und jetzt nichts wie raus hier.“ „Moment“, ein breit gebauter Soldat stand plötzlich mit uns im Raum, „wen haben wir den hier? Zwei kleine Diebe. Euch werde ich mit...“ Er sackte zusammen „Was hat der?“, fragte Jan ängstlich. „Der hat mich!“ Sie fuhren herum. Tom stand hinter ihnen, einen dicken Ast in der Hand. „Aber jetzt lasst uns verschwinden!“ Wieder im Wald angekommen, setzte Tom sich gegen einen Baum mit der Bitte, ihn zu verarzten. „Ich desinfiziere das erst mal“, sagte Jan und schnappte sich die Flasche. Danach machte ich mich daran, Toms Wunde zu nähen. „Ich bin darin kein Experte, also mach mir nachher keinen Vorwurf“, sagte ich noch und stach dann zu. Tom schrie, er schrie unermüdlich. Jan hielt ihm den Mund zu, doch er schrie immer weiter. Plötzlich kamen darkländische Soldaten auf uns zu. Einer von ihnen schrie: „Noch eine Bewegung und es war eure letzte!“ Wir blieben unverzüglich stehen. Die Soldaten zerrten uns zu einem Wagen mit der Flagge von Darkland drauf. Sie warfen uns unsanft in den Kofferraum, stiegen selbst vorne ein und fuhren los. Langsam gewöhnten sich meine Augen an die Dunkelheit, die im Kofferraum herrschte. Er war spärlich bepackt, nur eine Box stand in einer Ecke. Doch was war dieses Zeichen auf der Box? Plötzlich fiel es mir wie Schuppen von den Augen. Das war das Zeichen für Radioaktivität! „Was wollen die damit?“, fragte Tom besorgt. Seine Wunde war inzwischen verkrustet. „Das sieht nicht so aus als ob die uns mit Kaffee und Kuchen empfangen wollen“, meinte Jan. „Jan, ich denke die Zeit für Späße dieser Art ist vorbei, das hier ist ernst!“ „Jaja“, maulte Jan. Nach einer gefühlten Ewigkeit in diesem Kofferraum schlug plötzlich die Tür auf und Tom wurde hinaus gezerrt. „Was wollt ihr mit ihm?“, fragte ich entsetzt. „Ihn behandeln“, knurrte einer der Soldaten zurück, „ihr als Informationsquelle bringt uns doch nichts, wenn ihr tot seid. „Die wollen uns als Informationsquelle benutzen, aber wofür?“, fragte Jan als die Tür wieder zu war. „Vermutlich denken die, wir wüssten, was die Deutschen als Nächstes planen.“ „Aber was, wenn wir nicht antworten können?“ „Das wird sich zeigen müssen.“ Ohne Tom fuhren wir eine weitere Ewigkeit in dem rumpelnden Fahrzeug. Plötzlich flogen die Fahrzeugtüren auf und wir brauchten eine ganze Zeit, um uns an die Helligkeit von draußen zu gewöhnen. Als ich wieder einigermaßen klarsehen konnte, erkannte ich einige Zelte und viele Leute, die um die Zelte herumliefen. In einem Zelt war der Eingang nicht richtig zugezogen, sodass ich dort hineinschauen konnte. Darin lagen überall Kabel verteilt, zwei Rechner standen dort und ein Funkgerät lag auf dem Boden. Die Soldaten zerrten uns zum größten Zelt des Platzes. Drinnen sah es aus wie in der Hauptzentrale. Karten lagen auf dem Tisch, mehrere Funkgeräte und Computer dazu. „Chef, wir haben Deutsche geschnappt, die uns vielleicht wichtige Informationen geben könnten“, ließ einer der Soldaten verlauten. „Lass sie hier und abtreten“, befahl der Mann hinter dem Schreibtisch. Er war groß und stämmig. Er hatte schwarze Haare und dunkle Augen. Also, meine Männer haben euch also geschnappt. Was habt ihr denn verbrochen?“ Wir schwiegen. „Ich sehe schon, welche Sorte ihr seid. Ich sage es mal so: Entweder ihr gebt mir Antworten auf meine Fragen oder ich helfe ein bisschen nach.“ „Sir, wir können Ihnen nichts sagen, wir wissen nichts“, versuchte ich. „Lüg nicht so frech!“, fuhr mich der Mann an. Er war aufgesprungen. „Ihr tut euch keinen Gefallen, wenn ihr schweigt. Ihr kommt erst mal in Gefangenschaft.“ Mit diesen Worten befahl er uns, das Zelt zu verlassen. Unsere Zelle war kahl. Es gab eine Toilette und ein Bett. Oben war ein Fenster, das mit fingerdicken Gitterstäben verschlossen war. Nach einigen Stunden Schweigen schwang die Tür zu unserer Zelle auf und man befahl uns, mitzukommen. Wir wurden in einen großen Raum geführt. In diesen Raum stand nur hinten in der Ecke ein großer Stuhl. Auf diesem Stuhl saß der Feldherr von Darkland. Neben dem Stuhl, an den Seiten und hinter uns standen Wachen, die allesamt das Abzeichen Darklands trugen. Der Feldherr schaute uns mit eisernem Blick an. „Also, das ist eure letzte Chance. Gebt mir freiwillig Infos oder ich helfe ein bisschen nach“. „Sir, wir haben keine Infos“, versuchte ich es nochmal. „Ich sehe schon, worauf das hinausläuft“, der Feldherr lächelte süffisant, „abführen!“. Dann ging alles ganz schnell. Die Beamten, die uns abführen sollten, drehten sich um und gaben ein paar Schüsse ab. Danach war alles still. Jan und ich standen langsam auf. Die Soldaten lächelten freundlich. „Warum...“, begann ich, als mich die Wachen unterbrachen und uns erklärten: „Wir sind deutsche Spione und haben uns hier einschleusen lassen. Das hier haben wir mit eurem Freund Tom geplant.“ Sie traten zur Seite. In der Tür stand Tom. „Immer muss man euch das Leben retten“, lachte er. Wir fielen uns in die Arme. Wenig später eskortierten die beiden Soldaten uns zu einem Zug und verabschiedeten sich mit den Worten: „Nächstes Mal bringt ihr euch nicht in solche Lebensgefahr, verstanden?“
Im Zug unterhielten wir uns nochmal genauestens über alles, was passiert war. Die Zeit verging wie im Flug. Als wir am polnischen Bahnhof angekommen waren, erwartete mich die größte Überraschung meines Lebens. Zwei polnische Schaffner nahmen uns in Empfang und sagten vor der Tür zur Eingangshalle: „Erfreut euch an dem, was ihr draußen vorfinden werdet.“ Damit zogen sie die Türen auf und dort standen: MEINE ELTERN. Ich rieb mir die Augen. Das konnte nicht sein. Meine Mutter kam auf mich zu: „Schatz, wir haben den Bombenangriff überlebt.“ Ich konnte mein Glück kaum fassen. Überwältigt fiel ich meiner Mutter in die Arme.
Vivareya rannte durch den weißen Sand direkt auf das Zelt ihrer Urgroßmutter Veriola zu. Heute wollte diese den Kindern die Legende der Mondelfen erzählen.
Eine Welle schwappte der Hawaiianerin über die Füße. Vivareya schlüpfte durch den Perlenvorhang aus Muscheln ins Zelt. Ihre Freundin Lana saß schon wie viele andere Kinder des Stammes auf den Samtkissen im Zelt. Vivareya setzte sich neben Lana und diese flüsterte: „Wir hatten bei Sonnenuntergang gesagt!“
Vivareya antwortete: „Sind ja nur ein paar Minuten,” als Urgroßmutter Veriola mit ihrer warmen, tiefen Stimme begann zu erzählen:
„Vor langer Zeit als unser Stamm noch mit den Mondelfen hier lebte…“ „Das ist doch totaler Quatsch”, posaunte Venizo dazwischen. Vivareya sah ihn böse an und Venizo verstummt. „Dann kann ich ja weitererzählen”, brummte Veriola und blickte Venizo tadelnd an.
„... vor langer Zeit gaben uns die Mondelfen einen Edelstein, der uns magische Kräfte verleihen sollte, um zum Mond zu fliegen, sobald wir den Stein berührten. Damals ergriff auch Malu, unsere Stammesvorsitzende, den Stein und schon wuchsen ihr bläulich schimmernde Flügel und sie schrumpfte, doch nicht nur das veränderte sich: auch ihre Haare wurden blond und zu guter Letzt verwandelte sich das Stammesgewand in ein leicht rosafarbenes Kleid. Dann flog sie los: geradewegs zum Mond. Jaaaa, liebe Kinder, ihr Vater war nicht gerade begeistert! Er hatte riesige Angst um seine einzige Tochter. Also verpackte er den Stein in eine Muscheltüte und versteckte ihn hier im Wald nahe bei den Höhlen. Dann grub er ein tiefes Loch und legte den Edelstein hinein. Darüber pflanzte er unseren wunderschönen, magischen Baum. Seitdem hat niemand mehr den Stein der Mondelfen gesehen,“ erzählte Veriola die Geschichte zu Ende. Es herrschte für einen kurzen Augenblick Stille bis alle Kinder lachend und quatschend das Zelt verließen. Nur Vivareyas Schwester Luna blieb nachdenklich auf ihrem Kissen sitzen und starrte auf den Boden. Plötzlich fragte sie: „Uroma, warum ist der Baum magisch? Stimmt das wirklich?“ Veriola lächelte weise und erklärte ihr: „Du bist ein kluges Kind und hast gut zugehört! Der magische Baum trägt der Legende nach magische Früchte. Wenn man diese isst, kann man bis zum Mond fliegen und mit einem erneuten Biss in die Frucht auch hierher wieder zurückkommen. Aber niemand traut es sich, weil alle Angst haben, dass sie nicht mehr zurückkommen. Seitdem der Stein versteckt wurde, hat niemand mehr die Mondelfen besucht.“
Nachdenklich verließ Luna das Zelt und war schon alsbald auf dem Weg zum magischen Baum. Jedes Kind auf der Insel Huani wusste, wo der Baum stand, aber alle wussten auch, dass sie sich dort fernhalten sollten. Niemand hatte je nach seinen magischen Kräften gefragt. Die Eltern erzählten ihren Kindern, dass die Früchte giftig seien, damit niemand sie aß.
Aufgeregt stand Luna unter dem Baum und betrachtete die leuchtend roten Früchte. „Was, wenn ich nie wieder zurückkehre und Mama und Papa nie wieder-sehe? Alle meine Freunde...”. Sie drehte die Frucht in ihren Händen, doch sie konnte nicht wiederstehen: kräftig biss sie hinein und spürte schon nach einigen Sekunden ein großes Kribbeln. Als sie nach einigen Augenblicken die Augen aufschlug, sah sie das Land der Mondelfen: Sie sprangen über blühende Wiesen, spielten und lachten und schon bald war Luna mittendrin. Sie freundete sich schnell mit der Mondelfe Lucie an und versprach ihr: „Ich komme morgen wieder, Lucie, ich kenne nun das Geheimnis und hoffe, dass ich jetzt heil zu meiner Familie zurückkomme.” „Das wirst du”, nickte Lucie, „du bist ein echtes Mondkind und hast das Geheimnis des magischen Steins verstanden. Ich freue mich, dich bald zum Spielen wiederzusehen.”
Luna biss wieder in ihre Frucht, schloss die Augen und wartete gespannt, was geschah. Wieder spürte sie ein Kribbeln und als sie die Augen aufschlug, war sie wieder auf ihrer Insel, bei ihrer Familie und saß vor Veriolas Zelt. Diese schaute neugierig aus dem Zelt und zwinkerte Luna zu.
Sollte Veriola etwa von Lunas Reise wissen? Von nun an flog Mondkind Luna wann immer sie konnte zu ihren neuen Freunden, den Elfen, und genoss ihre Freundschaft!
Es war einmal ein kleines Mädchen. Ihr Name war Luna. Eines Tages schickten Ihre Eltern sie in den Wald, um Äste für ein Lagerfeuer zu sammeln. Sie verlief sich in dem dunklen Wald. Luna hatte schreckliche Angst. Ihr war kalt und sie hatte sehr viel Hunger und Durst. Nach einem Tag fand sie einen Fluss und ein paar Beeren. Am nächsten Tag landete sie in einer Schlucht.
Sie wollte unbedingt wieder nach Hause. Sie weinte bitterlich und ihr war immer noch schrecklich kalt. Sie setzte sich auf einen Stein und dachte, dass sie nie wieder ihre Eltern sehen wird.
Mitten in der Nacht bemerkte sie einen hellen Strahl direkt über ihr. Sie schaute nach oben und entdeckte, dass der Mond sie anstrahlte. Sie konnte plötzlich Augen, Nase und Mund erkennen. Sie dachte, sie würde träumen. Auf einmal fragte der Mond sie, warum sie weint. Luna antwortete ihm: “Ich habe mich verlaufen und möchte unbedingt wieder nach Hause! Kannst du mir helfen?“
Der Mond sagte laut und deutlich: „Ja, du musst genau auf mich achten und meinem Lichtstrahl folgen! Wenn du aus der Schlucht geklettert bist, musst du dreimal deinen Namen rufen und dann schicke ich dir den Lichtstrahl, der dich nach Hause führt.“
Luna kletterte so schnell es ging die Schlucht hoch. Oben angekommen, rief sie dreimal ihren Namen und ein helles Licht begann sofort vor ihren Füßen zu leuchten. Sobald sie den Lichtstrahl mit ihren Füßen berührte, bewegte er sich weiter.
Nach mehr als zwei Stunden bemerkte Sie, dass sie nun am Waldrand angekommen war. Von dort aus konnte sie schon den Kirchturm ihres Dorfes erkennen. Es wurde allmählich hell. Der Mond sprach nun leise zu Ihr: „Ich muss jetzt gehen, meine Arbeit ist für heute beendet.“ Luna war traurig, dass der Mond sich verabschiedete. Sie fragte, ob er nicht bei ihr bleiben könnte. Er antwortete aber:“ Für heute ist mein Licht erloschen. Aber wenn du willst, könne wir uns heute Nacht wiedersehen.“ Luna freute sich. Von diesem Abenteuer an, öffnete Luna jede Nacht ihr Fenster, um mit ihrem neuen Freund und Retter zu reden. Ihre Eltern waren überglücklich, dass Luna wieder da war. Da Luna ihnen erzählte, wie sie gerettet wurde, durfte der Mond nun jede Nacht mit ihr sprechen.
„Schnell, lass uns abhauen!“, flüsterte Luna. Ben nickte und schnappte sich seinen Rucksack. „Wartet!“, schrie Elli. „Wir können doch nicht abhauen, während alles brennt. Vielleicht sind noch andere in den Häusern?!“ Luna kramte ihr Handy heraus und wählte 112. „Jetzt zufrieden?“ „Na gut!“, murmelte Elli. Bens kleiner Hund „Puzzle“ streckte verschlafen seinen Kopf aus dem Rucksack und bellte überrascht, als er bemerkte, dass er nicht in seinem nagelneuen Körbchen lag, sondern mit Ben, Elli und Luna zwischen den parkenden Autos Richtung Küste unterwegs war. Obwohl sie zum ersten Mal in Amerika waren, fanden sie schließlich den Wegweiser und wenige Minuten später erreichten die Freunde den Strand. „Ich ruf mal meine Mutter an“, keuchte Luna. Trotz der Tatsache, dass der komplette Strand mit Flatterband abgesperrt war, waren wenigstens nirgends Flammen zu sehen. Obwohl die Sonne gerade erst aufging, waren es schon locker 30 Grad und die Luft war trocken und staubig. Die Mailbox ging ran, also fassten die drei es kurz zusammen. „Aus irgendwelchen Gründen brennt es überall in unserer Gegend und wir sind jetzt am Strand. Uns geht es gut und die Feuerwehr ist unterwegs. Bitte nach der Party nicht nach Hause kommen. Sag das auch Papa!“
Gerade als sie aufgelegt hatten, tauchte ein schwarzer Porsche hinter den Felsen auf. „Die haben Benzin dabei!“, rief Elli panisch. „Ja, und?“, meinte Ben. „Vielleicht zum Tanken?“ „Doch nicht 20 Kanister!“ Panik stieg in Luna auf. „Schnappt euch „Puzzle“ und dann nichts wie weg!“ Bestimmt hatten diese Leute die Häuser angezündet. „Stehen bleiben! Keinen Schritt weiter!“, rief ein dunkelhäutiger Mann aus dem Auto. „Was wollen die von uns?“, kreischte Elli. Luna ignorierte den Sand in ihrem Mund und rief mit nuschelnder Stimme: „Weiß ich doch nicht!“ Da packte Ben die beiden Mädchen an den Armen und zog sie in eine Lücke zwischen den Felsen. „Da läuft Benzin aus!“, erklärte er. „Wir müssen über den Steg und dann zum Wohnhaus von Lunas Oma!“
Dann rannten die drei los. Doch kurz vor der Treppe zum Ferienhaus von Oma Susan hatte das Auto sie eingeholt und fuhr in immer enger werdenden Kreisen um sie herum. Urplötzlich fing alles an zu brennen und Luna schnappte nach Luft. „Das Benzin!“, murmelte Ben. „Schnell, ruf die Feuerwehr!“ Blitzschnell nahm Luna ihr Handy und erstarrte. „Mein Akku ist leer!“ Die Flammen waren nicht gerade hoch, also nahm Luna Anlauf und sprang ab, schloss die Augen und ...
ENDE
Der 16 Jahre alte Leo Schmitz ging an einem schönen, wolkenlosen Morgen zur Schule. Verträumt sah er in den Himmel und bemerkte, dass der Vollmond von letzter Nacht immer noch am Himmel stand. Er achtete gar nicht mehr auf den Weg, so faszinierend fand er den Anblick, er kannte den Schulweg in- und auswendig, sein Körper wusste auch so, wo es lang ging. Deshalb merkte er auch nicht, als Vladimir, sein größter Feind, mit seiner giftigen Schlange, der Blutpython, auf ihn zukam. Er hetzte die Schlange auf ihn. Leo sah die Schlange viel zu spät und war nun völlig hilflos. „Jetzt entkommst du mir nicht mehr, Leo! Los Arogog, beiß ihn!“, schrie Vladimir vergnügt, mit einem breiten Grinsen auf dem Gesicht. Leo verzweifelte, wie er hier noch rauskommen könnte und schrie:“Hilfe! Hört mich jemand!? HILFE!“ Doch niemand hörte ihn. Dies vergnügte seinen Feind noch mehr. „Soll ich dir ein Geheimnis verraten?“, doch ohne Leos Antwort abzuwarten, sprach er weiter,
„So wie du eben in den Himmel geguckt hast, hast du doch bestimmt den Vollmond gesehen? Wenn Arogog dich gleich beißt – ja, du wirst nicht entkommen – wirst du dich jeden Vollmond einmal in eine Blutpython verwandeln, aber natürlich in der Nacht. HAHAHA! Diesmal wirst du mir nicht entkommen !“ „Hi-hilfe! H-h-hilfe!“ stotterte Leo, der aber selber noch verzweifelte und alle Hoffnung verlor, dass auch nur irgendwer seinen Hilferuf hörte. „Jetzt, Arogog, jetzt beiß ihn!“, rief er in einer Sprache, die nur Tiere verstehen können, auf Fransel, Vladimir war ein Franselmund. Sie verstand und schlängelte sich immer weiter auf Leo zu. Er versuchte, wegzulaufen, doch da war es schon zu spät. Sie war auch da und packte sein Fußgelenk und schnappte gnadenlos zu. „Aaaah! Aua!“, hallte Leos Schrei durch das Dorf. Er wandte Vladimir den Rücken zu und versuchte, so schnell er noch konnte nach Hause zu laufen. Er hörte seinen Feind hinter sich noch lachen und jubeln. „Der kleine Leo läuft zu seiner Mami und weint! Ooooh! HAHAHA!“ Doch das war Leo im Augenblick völlig egal, er schämte sich dafür, dass er, sich nicht wehren konnte, dass er jetzt ein Mondkind war und auch für immer bleiben würde. Er konnte es nicht mehr rückgängig machen. Als er zu Hause ankam, erklärte er alles, was passiert war, schnell seiner Mutter und verkroch sich in sein Zimmer, nachdem er die Wunde versorgte. Die Schule war mittlerweile auch aus, deshalb rief er seinen Freund Thomas an und erzählte noch mal das Gleiche wie schon seiner Mutter. Die beiden verabredeten sich für 15 Uhr bei Leo. Thomas kam, wie versprochen, und fing an zu reden. „Was hältst Du davon, wenn ich nachts mit dir rauskomme und bei dir bleibe?“
„Ja, das ist eine gute Idee, aber sie haben immer Hunger auf Menschenfleisch, das heißt, ich würde auf dich losgehen und dich fressen“, meinte Leo. „Wir können doch ein Gebräu aus Kräutern, Obst usw. mischen und dir dann geben“, war Thomas Idee. Leo antwortete, „Okay! Das machen wir so.“ Den restlichen Nachmittag experimentierten die beiden herum, bis sie endlich fündig wurden. „Das ist gut! Zum Glück haben wir es geschafft“, meinte Leo. „Danke, Thomas!“ daraufhin meinte Thomas nur: „Kein Problem! Deshalb sind wir doch Freunde!“ Eine Sache fiel Leo noch ein. „Ich weiß, es klingt jetzt ziemlich albern und kindisch, aber ich fürchte mich vor dem Vollmond.“ „Mach dir darüber keine Gedanken, Ich bin doch bei dir“, erwiderte Thomas. In den ersten Nächten lief alles wie geschmiert und geplant. Doch in einer warmen Nacht im August wurde Thomas von einer maskierten und gut vermummten Person überfallen. Allerdings war sein Freund ja gerade eine Schlange und konnte nicht helfen. Der Dieb dachte, Thomas wäre allein und schlich sich von hinten an. Leo entdeckte den Dieb und zischte mit seiner Zunge und rasselte mit seinem Schwanz. Daraufhin sah die maskierte Person ihn und ergriff die Flucht. Langsam nahm Leo wieder seine Gestalt an und bemerkte, dass er seinem Freund das Leben gerettet hatte. Später stellte sich heraus, dass der Täter Angst vor Schlangen hatte, und deshalb die Flucht ergriff. Nun fürchtete Leo Schmitz sich nicht mehr vor dem Vollmond, außerdem schämte er sich auch nicht mehr und ging wieder nach draußen.